Kommunalwahlen in Wörthsee:Die Christel, der Flori und der Thomas

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Bei einer Podiumsdiskussion duzen sich die drei Bürgermeisterkandidaten - und sind sich auch sonst recht nahe. Den Wochenendverkehr der Ausflügler sehen zum Beispiel alle Bewerber als Problem.

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Riesiger Andrang: Viele Besucher der Podiumsdiskussion mit den drei Bürgermeisterkandidaten von Wörthsee mussten stehen. (Foto: Nila Thiel)

Konrad Gritschneder kann sich diese Bemerkung nicht verkneifen: "Die sind alle nur wegen uns da", witzelt er. "Uns", das ist die Blaskapelle Wörthsee, deren Leiter er ist. Die, das sind um die 250 Menschen, die in den Saal des Augustiner drängen, wo die drei Wörthseer Bürgermeisterkandidaten Christel Muggenthal (parteilos), Florian Tyroller (Grüne) und Thomas Ruckdäschel (CSU) sich und ihre Ideen vorstellen wollen. Viele Besucher müssen stehen oder draußen bleiben. Als Veranstalter der Podiumsdiskussion am Donnerstagabend fungiert die Blaskapelle, weil sie ein "neutraler und damit völlig unverdächtiger Verein" sei, sagt Gritschneder. Durch den Abend führt der Radiomoderator Jürgen Kaul aus Seefeld.

Die Kandidaten duzen sich, "die Christel, der Flori und der Thomas" stehen auf der Bühne an Bistrotischen und dürfen der Reihe nach auf Fragen zu verschiedenen Themenkomplexen antworten. Zusammenfassend: Die Antworten unterscheiden sich nur wenig. Einig sind sie sich zum Beispiel, dass das Jugendhaus eine gute Einrichtung ist und die Nachbarschaftshilfe hervorragende Arbeit leistet. Das Aus für den Dorfladen bedauern sie alle, Muggenthal und Tyroller noch ein bisschen mehr, weil sie Anteilseigner waren und auch dort eingekauft haben. Eine Auswahl der Themen:

Besonnen, aber hartnäckig

Dass Christel Muggenthal (parteilos), 64, in der Politik gelandet ist, ist nur folgerichtig. Im Elternhaus wie auch im Gymnasium wurden oft gesellschaftliche Themen diskutiert. Studium der Kommunikationswissenschaften, Heirat, vier Kinder, Elternbeirat, Mütter gegen Atomkraft, Trägerverein Jugendhaus, Gemeinderat und schließlich, mit 58 Jahren, das Bürgermeisteramt von Wörthsee. Sie möchte etwas bewegen und sie möchte gestalten. Das tut sie ruhig und besonnen, aber hartnäckig. Die vier erwachsenen Kinder sind aus dem Haus, kommen mit den fünf Enkeln aber gerne zu Besuch. So schön es in Wörthsee, der Heimat der Familie seit fast 30 Jahren, auch ist: Christel Muggenthal und ihr Ehemann Ingo reisen für ihr Leben gern - mit dem VW-Bus nach Irland, Schottland oder Frankreich. csn

In Sorge um die Lebensqualität

Thomas Ruckdäschel (CSU) ist ein weit gereister Mann. Geboren in Augsburg, hat er in Würzburg Geographie mit den Nebenfächern Soziologie und Arabistik studiert. Seine Tätigkeiten als Führungskraft, zuletzt bei einem großen Versicherungsunternehmen, haben ihn nach Berlin, Paris, Toronto und Bangkok geführt. Aber Wörthsee, sagt er, ist für ihn der schönste Ort der Welt. Hier lebt er mit seiner Familie seit 1996, zwei der drei Kinder sind bereits ausgezogen. Er habe den Eindruck, dass sich die Lebensqualität in Wörthsee schleichend verschlechtere, sagte er bei der Podiumsdiskussion. Dem möchte der 52-Jährige als Bürgermeister Einhalt gebieten. Sich selbst beschreibt CSU-Kandidat Ruckdäschel als "Macher, der auch zuhören kann". Seine Hobbys sind Sport und Musik. csn

Ökologe mit Weitblick

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(Foto: Nila Thiel)

Wenn Florian Tyroller (Grüne) von gesunden Lebensmitteln erzählt, die ohne Kunstdünger und Pestiziden auch in heißen und trockenen Gegenden produziert werden können, weiß er, wovon er spricht. In Italien betreibt die Familie des 50-Jährigen eine kleine ökologische Landwirtschaft mit Weinberg und Olivenbäumen. Keine Frage, wo die Tyrollers - Ehefrau Karin und vier Kinder - ihre Urlaube verbringen. Florian Tyroller hat vier Studiengänge abgeschlossenen und ist jetzt Gymnasiallehrer am Max-Born-Gymnasium in Germering. Dort leitet er auch die Sternwarte. Seit 2014 sitzt er für die Grünen im Gemeinderat. Für den Job des Bürgermeisters fühlt er sich "bestens gerüstet", sagt er. Tyroller möchte Wörthsee klimaneutral und umweltfreundlich weiterentwickeln. csn

Wohnen

Das Thema preisgünstiger Wohnraum beschäftigt auch die Wörthseer. Amtsinhaberin Muggenthal zählte auf, was die Gemeinde in den vergangenen Jahren realisiert oder auf den Weg gebracht habe: altengerechtes Wohnen an der Etterschlager Straße, ein geplantes Genossenschaftswohnen "Am Teilsrain", Gemeindewohnungen auf dem Kirchenwirt-Areal und das künftige Seniorenwohnen. Charmant findet sie das Modell "Baugemeinschaften": Mehrere Bürger kaufen sich dabei ein Grundstück und bebauen es mit unterschiedlichen Wohnformen, je nach Bedarf. Muggenthal meint: "Wir müssen neue Ideen aufgreifen." Das Genossenschaftsmodell begrüßen auch Tyroller und Ruckdäschel. Aber "das eine Modell gibt es nicht", meinte Tyroller. Er verwies auf die Stadt Ulm, die nicht baureife Grundstücke ankaufe, Baurecht schaffe und den Grund dann zu günstigen Preisen - 250 Euro pro Quadratmeter - an ihre Bürger verkaufe. Ruckdäschel sprach sich für eine Flächenbevorratung aus. Vom Einheimischenmodell hat sich die CSU offensichtlich verabschiedet: "Zu komplex, dafür haben wir keine schlüsselfertige Lösung."

Verkehr

Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs, Tempo 30 in den Wohngebieten, attraktivere Fuß- und Radwege im Ort, mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer - es herrscht Einigkeit bei den Kandidaten. Ruckdäschel spricht sich darüber hinaus für Tempo 40 auf der Ortsdurchfahrt aus, Tyroller für eine Spielstraße rund um den Kindergarten. Was die Wörthseer am meisten aufregt, ist der Besucheransturm an schönen Wochenenden und damit das Parkchaos am See und in den benachbarten Straßen. Ein kaum lösbares Problem, dem die Gemeinde bisher mit Parkverboten, Ausweisen von Rettungswegen, Durchsagen im Radio und der "maximal möglichen Stundenzahl" für die kommunale Verkehrsüberwachung begegnet, erläuterte Muggenthal. Sie sprach sich für eine verkehrsberuhigte Zone in der Seestraße aus und verwies auf ihre "guten Kontakte" zu Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. So sei ein Badebus von Freiham an den Wörthsee und Ammersee im Gespräch. Ruckdäschel will sich für einen Fernradweg von München an den Wörthsee einsetzen und ein Parkleitsystem. "Das Tagesticket muss aber teuerer sein als das Familienticket der Bahn." Seine Devise: "Den Verkehr ordnen, leiten und überwachen." Tyroller möchte gleich verhindern, dass sich die Leute ins Auto setzen, sondern mit der S-Bahn kommen. Eine Webcam zum Beispiel könnte den Münchnern zeigen, dass alle Parkplätze am See bereits belegt seien.

Klimanotstand

Auf Antrag der Grünen hat der Gemeinderat beschlossen, für Wörthsee den Klimanotstand auszurufen. "Warum?", wollte Moderator Kaul von den Kandidaten wissen. "Nicht, weil wir hier einen Notstand hätten", sagte Muggenthal. Es handle sich dabei um einen solidarischen Akt den Ländern gegenüber, die bereits unter dem Klimawandel leiden. "Schließlich tragen wir zum CO₂-Ausstoß bei." Die Ausrufung des Klimanotstands verpflichte die Gemeinde, alle Beschlüsse hinsichtlich des Klimawandels zu hinterfragen, begründete Tyroller seinen Antrag. "Wir haben Verantwortung: Global denken, lokal handeln", sagte er. Für Ruckdäschel ist der Klimanotstand "nur ein krasses Schlagwort". Die Gemeinde müsse handeln.

Kinder, Familien, Senioren

Von 2025 an besteht ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Darauf verwies die Bürgermeisterin. "Wir brauchen dringend Hort- und Krippenplätze." Dafür sei ein neues Kinderhaus neben der Kinderkrippe geplant. Dort sollen außerdem zwei Kindergartengruppen Platz finden. "Wir tun etwas", sagte sie. Ruckdäschel verweis auf den Zuzug, der mit den neuen Wohnungen einhergehe, und Tyroller meinte: "Der Erfolg holt uns ein, es ziehen junge Familien mit Kindern zu."

Warum sie Bürgermeister werden wollen, wollte der Moderator nach gut zweieinhalb Stunden am Ende der Diskussion wissen. "Es ist Zeit in Richtung Grün", lautete der Schlusssatz von Florian Tyroller. "Es macht Spaß mit Ihnen", sagte Thomas Ruckdäschel zu den Zuhörern. "Wir haben gute Themen und gute Leute in allen Parteien." Christel Muggenthal möchte die vielen Projekte, die in ihrer Amtszeit angestoßen worden sind, "pragmatisch" weiter entwickeln und zu Ende bringen.

© SZ vom 15.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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