Kolumne:Schubert-Fluch am Wörthsee

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Es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn Walther Fuchs vom Konzertverein plötzlich dauernd Absagen von Künstlern bekommt

Von Eurem Nepomuk

Vielleicht habt Ihr Euch am Ende eines langen, unwichtigen und gründlich verplemperten Tages schon mal gefragt: Also dieser Nepomuk, ist der überhaupt musikalisch? Kann der singen? Ja, das ist jetzt sehr persönlich, aber weil ich weiß, wie erstaunlich, ja unfassbar neugierig Ihr sein könnt, sag' ich schlicht: Aber klar, Leute, ich bin sogar ein großer Schubert-Fan. Ach, die Winterreise, die hat's mir angetan, das ist das bezauberndste Elend, das man sich vorstellen kann auf dieser Welt. Wenn das schon anhebt mit "Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh' ich wieder aus" - na ja, vielleicht sollte man besser sagen: Falls es anhebt. Die Sache ist nämlich die: In Wörthsee geht gar nichts mehr los, über die Gemeinde hat sich ein Schubert-Fluch gelegt. Oder so was ähnliches.

Ende Dezember jedenfalls wollte mein lieber alter Freund Walther Fuchs vom Konzertverein die "Winterreise" nachholen, die im November ausgefallen war, weil den Sänger eine üble Erkältung erwischt hatte. Alles war klar, der Bass Tareq Nazmi hatte sich scheinbar wieder erholt, doch einen Tag vorher rief der Mann den Walther an und krächzte nur so ins Telefon. Was soll man sagen: So kann kein Mensch Schubert singen. Doch es kommt noch schlimmer: Diesen Samstag wollte Ana Chumachenco mit ihrem Quartett in Wörthsee spielen. Und was passiert? Der Pianist bricht sich den Arm. Ihr ahnt es schon: Auf dem Programm stand unter anderem - Schubert. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu, oder?

Ich hab' ehrlich schon überlegt, ob ich als Sänger einspringen soll, dem Walther zuliebe, der seit 30 Jahren im Geschäft ist und bisher erst zwei Absagen erleben musste. Immerhin sind unter meinen Vorfahren berühmte Tenöre: Nepomingo, Nepreras und Neporotti, Könner ihres Fachs. Aber leider gibt es seit einer Generation ein Problem: Jüngere Wassergeister wie ich werden unsichtbar, sobald sie ihren Bariton erheben. In der Dusche mag das noch angehen, aber wie sieht das im Konzertsaal aus, wenn der Sänger sich in Luft auflöst! Man weiß doch, wie gemein Kritiker sein können. Ich seh' schon die Schlagzeile vor mir: "Unsichtbarer Sänger hätte besser unhörbar gesungen". Nein, das kann ich dem Walther nicht antun. Deshalb meine Bitte: Wenn ihr den "Lindenbaum", die "Krähe" und den "Leiermann" draufhabt - meldet euch beim Konzertverein.

© SZ vom 19.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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