Kleines Sommerfestival:Abba und der Gefangenenchor

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Universeller Chor: Die von Ralf Ludewig geleiteten Münchner Knaben beim Auftritt in der Remise von Schloss Fußberg. (Foto: Georgine Treybal)

Die Münchner Knaben beweisen in Gauting die Bandbreite ihres Repertoires

Von Reinhard Palmer, Gauting

Vor zwei Jahren gastierte der Münchner Knabenchor erstmals beim Kleinen Sommerfestival in der Remise von Schloss Fußberg in Gauting. Damals mit 19 Knaben, die gerade mal ein knappes Jahr miteinander sangen. Dass sich nun der Knabenchor bereits mit einigen Männerstimmen der Herangewachsenen in einer Auswahl von 37 Mitgliedern (aus ungefähr doppelt so vielen Choristen insgesamt) präsentieren konnte, verdankt er dem herausragenden Chorleiter Ralf Ludewig, der in Gauting erneut ein Heimspiel gab.

Nach einem fünfjährigen Intermezzo bei den Tölzer Sängerknaben beweist Ludewig seit nunmehr knapp drei Jahren, dass die Differenzen in Tölz wohl kaum auf Fragen der Fachkompetenz basierten. Der Münchner Knabenchor ist mittlerweile weltweit unterwegs, seine Solisten sind bei Opernproduktionen gefragt. Allerdings packte Ludewig in Gauting der Ehrgeiz allzu sehr, sodass der künstlerische Festivalleiter Florian Prey der Aufführung eine nicht geplante Pause verordnete, nachdem bereits fünf Buben nacheinander außerhalb der Bühne ihren Kreislauf stabilisieren mussten. Das feuchtheiße Bühnenklima zeigte seine Wirkung.

Angetreten waren die jungen Sänger mit einem Querschnitt durchs Gesamtrepertoire von Klassik über Pop und Filmmusik bis hin zu Volksmusik, am Flügel begleitet von der Stimmbildnerin Brigitte Gabriel, die sich sonst um den jüngsten Chornachwuchs kümmert und kurzfristig eingesprungen war. Eingeflochten immer wieder auch glänzende solistische Einlagen sowie in diversen Konstellationen kammermusikalische Ensembles vom Duett bis zum Sextett in wechselnden Besetzungen. Für den Auftritt der drei Knaben in Mozarts "Zauberflöte" schlüpfte Bariton Ludewig gar selbst gewandt in die Rolle des Papageno, um dem farbschön ausbalancierten Terzett die Dialog-Gegenstimme zur Verfügung zu stellen. Einen besonderen Effekt lieferte ein Sextett mit Ennio Morricones "Nella fantasia", in dem sich die Solisten im Raum verteilten und die Remise mit filigranen melodischen Linien füllten. Und ergreifend klangschön und stark im Ausdruck sang ein Duo "Tears in heaven" von Eric Clapton, von drei Backgroundsängern stimmungsvoll getragen.

Im Zentrum standen große, klar und transparent ausgesungene Chorsätze, in denen die Choristen nicht nur ihr stimmliches Vermögen, sondern auch ihre Musikalität und ihr Einfühlungsvermögen demonstrieren konnten, effektvoll beginnend mit Orffs "O Fortuna" aus den "Carmina Burana" als Weckruf. Ein so imposanter, wirkungsvoller Chorsatz sollte noch einmal mit Verdis Gefangenenchor aus "Nabucco" folgen und die beeindruckende plastische Stimmsubstanz des Chors zum Klingen bringen. Damit war aber das Kapitel der ernsten Literatur weitgehend abgehandelt, um eingängigen Chorsätzen, meist Singstücken und berührender Farbigkeit Platz zu machen. Dabei kam es nicht so sehr darauf an, wie anspruchsvoll eine Komposition ist, denn die Münchner Knaben sind in der Lage, aus einem selbst nahezu seichten Stück echte musikalische Qualitäten herauszuholen. So verwandelte sich der "Frühlingsstimmenwalzer" von Johann Strauss geradezu in eine rhapsodische Erzählung, frisch und munter vorgetragen, lyrisch fließend kontrastiert.

Mit besonderem Engagement nahmen sich die Knabenchoristen der Popsongs an, die allesamt sorgsam nach ihren melodischen Potentialen ausgewählt, dabei aber keinesfalls leichter zu singen waren. Wie etwa der groovende "Earth Song" von Michael Jackson, "I have a dream" von ABBA oder das diszipliniert rhythmisierte "Can you feel the love tonight" von Elton John. Auch hier glänzten die Knaben mit homogener Stimmführung und blitzsauberer Sprachdiktion. Begeisterter Applaus, zwei Zugaben.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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