Klassik:Totentanz und Stille Post

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Musik voller Kontraste: David Frühwirt, Nina Karmon, Eun-young Park und Graham Waterhouse beim Konzert in der Gilchinger Schulaula. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Packende Kammermusik von Graham Waterhouse in Gilching

Von Reinhard Palmer, Gilching

China gilt wie Japan als Land der aufgehenden Sonne. Insofern passte es sogar, dass sich im Programm an erster Stelle Haydns Sonnenaufgang-Quartett fand. David Frühwirth und Nina Karmon an den Violinen, Eun-young Park an der Viola und Graham Waterhouse am Violoncello sind zwar kein festes Ensemble, schafften es aber dennoch, während der Probenarbeit die schon für Haydn so wichtige Homogenität zu erlangen. Unabdingbar war sie in den drei weiteren Kompositionen, die im Fall von Granville Bantock (1868 bis 1946) wegen Unbekanntheit und im Fall des frisch promovierten Graham Waterhouse (geboren 1962) wegen Neuer Musik dazu führten, dass sich nur wenige Zuhörer in der Aula des Gilchinger Gymnasiums einfanden. Löblich fürs Kunstforum Gilching, sich dennoch darauf einzulassen. Eine deutsche Erstaufführung und eine Uraufführung standen auf dem Programm.

Zwei Ereignisse, auf die man zu Haydns Zeit mit Spannung gewartet hätte. Die Kammermusikfreunde wurden nicht enttäuscht. Waterhouse legte mit seinem Totentanz - ein Thema, das ihn in seiner Dissertation beschäftigt hatte - eine Komposition vor, die fantastische Bilder evoziert. Auslöser für dieses Werk sei das leider im Zweiten Weltkrieg vernichtete Friesgemälde von Bernt Notke in der Lübecker Marienkirche gewesen, verriet der Komponist im Gespräch. Der 1463 entstandene Lübecker Totentanz nimmt keine Rücksicht auf Rang, Stand und Position, rafft der Tod doch jeden Menschen auf gleiche Weise dahin. Der Danse macabre ist in der bildenden Kunst ein häufig vorkommender Typus. In der Musik ist lediglich das so betitelte Werk von Camille Saint-Saëns bekannt. Waterhouse zog in seiner Version viele Register, die weder an Sarkasmus noch an Humor sparten. Der Tanz mit pizzicato klapperndem Gerippe ist auch bei Saint-Saëns keine vergnügliche Sache. Waterhouse wagte allerdings mehr Schärfe, experimentelle Klangeffekte und ungezügelte Wildheit. Von Bild zu Bild schien die Fratze des Todes immer noch ein Stück skurriler, spöttischer, ja hämischer zu werden. Für die Musiker kein Kinderspiel, vor allem in rhythmischer Hinsicht, wenn Verschiebungen gegen den Takt zu laufen hatten.

Die chinesisch beeinflussten Werke des britischen Komponisten, Dirigenten und Instrumentalisten Granville Bantock hingegen setzen noch in der Romantik an. Bantock war ein überaus feinsinniger Klangbildner, wie das Ensemble in dem viersätziges Werk "In a Chinese Mirror" von 1933 mit Empfindsamkeit und großer Bandbreite an Stimmungen vorführte.

Eine Überraschung war "Chinese Whispers" von Waterhouse aus dem Jahr 2010. Das Kinderspiel "Stille Post" ist hier in gewisser Weise auch spielerisch umgesetzt. Vor allem aber stilistisch sehr verträglich und von reizvoller Ästhetik. Geflüstert wurde nur an wenigen Stellen, dann zauberte das Quartett zarte Farblasuren mit fast schon impressionistischer Wirkung hervor. Nach behutsamem Tusch und einer feierlichen Einleitung ging es ansonsten heiter und beherzt zur Sache. Mal mit tänzerischer Leichtigkeit, mal abzählreimartig verspielt. "Die beiden lustigen Mistfinken" (eigentlich für zwei Pikkoloflöten) von Hindemith sorgte in der Zugabe für einen humoristischen Schlusston in dem packenden Programm.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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