Klassik:Julia Fischer brilliert auch als Pianistin

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Feinsinnig aber fesselnd: ein hochklassiges Duo geben Julia Fischer und Henri Bonamy an diesem Abend in der Schlossberghalle ab. (Foto: Georgine Treybal)

Beim Eröffnungskonzert der Musikferien zeigt die Stargeigerin auch an den Tasten ihre herausragende Musikalität

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Keine Frage: Geiger dominieren nicht nur in Deutschland die Musiklandschaft. Bei Konzerten, aber vor allem mit Kursen und Festivals. Gewiss, es gibt auch Unmengen von Klavierschülern, die etliche Kurse füllen könnten. Doch für Pianisten ist es kompliziert, viele Flügel für Kursteilnehmer anzubieten und den entsprechend großen Platzbedarf zu decken. Der Bedarf an Pianisten ist zudem nicht so groß. Streicher dagegen bringen ihre Instrumente selbst mit, sie benötigen lediglich Unterrichts- und Übungsräume. Die fand Julia Fischer in der Evangelischen Akademie Tutzing, wo Schüler und Studenten wohnen und allabendlich konzertieren können.

Zum neunten Mal zog es wieder viele Kinder und Jugendliche in die "Musikferien am Starnberger See". Nach und nach wird eine Infrastruktur aufgebaut, die Musikferien eröffnen als Spielwiese für musikalische und didaktische Aktivitäten viele Möglichkeiten. Zuletzt gründete Fischer mit Johannes X. Schachtner und Henri Bonamy die Kindersinfoniker, die nun in einer kleinen Auswahl im Eröffnungskonzert in der Starnberger Schlossberghalle mit von der Partie sein durften, tatkräftig unterstütz von den Kursdozenten. So gerriet Vivaldis Konzert für vier Violinen und Streicher h-Moll op. 3/10 schon recht schneidig, auf alle Fälle überraschend gut intoniert. Neben Fischer übernahmen ihre ehemaligen Schüler Amelie Böckheler, Lorenz Chen und Severin Schmid nun als Dozenten die Solostimmen, die keine große Herausforderung darstellten - aber doch auf reizvolle Weise den kleinsten Mitspielern Einiges an Musikalität abverlangten. Wie etwa plastische Durchgestaltung, barocke Motorik im Ebenmaß, Klangfärbungen, Spannungsaufbau und Ausdruck. Schließlich hinterließ das festliche Finale mit einer breiten Schlusspassage den besten Eindruck, wie der frenetische Applaus für die Kindersinfoniker bewies.

Bonamy, der sich schon letztes Jahr als ein glänzender Kammermusiker am Flügel bewährte, bekam nun die Chance, sich in seiner Königsdisziplin zu präsentieren. Brahms' Violinsonate G-Dur op. 78 bietet das Potenzial, einen Musiker zu krönen, sofern man mit einer so feinsinnigen Violinistin wie Julia Fischer gleichziehen kann. Auch wenn die Charaktere der beiden Instrumentalisten unterschiedlich sind, funktionierte das Duo hervorragend. Mit Hingabe und Differenzierung kamen sich beide musikalisch sehr nah und sorgten mit einem Spektrum von straff durchgetakteter Empfindsamkeit bis zu fragilem Flimmern für eine fesselnde Vorstellung.

Da half, dass Fischer auch Pianistin ist und den Gegenpart stets mitdenken kann. So übernahm Fischer im Klavierquintett A-Dur op. 81 von Dvořák auch den Pianopart und verstand ihre technisch brillante Aufgabe als Teil eines Ensemblewerks sicher ein Stück mehr, als es Pianisten ohne Streicher-Erfahrung vermögen. Mit Kirill Troussov und Andreas Janke an den Violinen, Louis Vandory an der Viola und Matthias Gredler am Violoncello stand ihr ein Quartett gegenüber, das zudem in der Lage war, Fischers geschmeidige Pianistik mit einem absolut ebenbürtigen Streicherpart auszubalancieren. Troussov ist ein feuriger Geiger, der mit dem eher besonnenen Janke eine glühende Klangsubstanz austarierte. Das verlieh dem Ensembleklang einen sinnenfreudigen Grundton, in dem vor allem die von Dvořák betörend schön eingesetzten tieferen Stimmen ihren vollen Reiz entfalten konnten.

Sowohl Gredler als auch Vandory verstanden es, die nostalgische Schönmelodik des Komponisten in berührender Empfindsamkeit durchzuformen. Das Ensemble beherrschte jedenfalls die Kunst der Farbspiele und des Ausdrucks. Sie begeisterte hier im effektvollen Kontrast zwischen ausgelassen-spritzigem Furiant-Wirbeln und nostalgischen Zurücknahmen im Scherzo. Ähnlich verhielt es sich im vergnügten Schlusssatz mit feinziselierten Spielereien vor der energischen finalen Stretta. Lang anhaltender, frenetischer Applaus war dem Quintett jedenfalls sicher.

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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