Klassik:Aus Alt mach Neu

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Schlüssige Interpretationen: das Erlenbusch Quartett bei seinem Gastspiel im Gautinger Kulturhaus Bosco. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Erlenbusch Quartett im Gautinger Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das Besondere am Erlenbusch Quartett ist die Vielseitigkeit seiner Mitglieder, die allesamt hochkarätige Solisten mitErfahrung sind. Primarius Michael Barenboim fungiert ferner als Konzertmeister des West-Eastern Divan Orchestra unter der Leitung seines Vaters Daniel Barenboim, Violinistin Petra Schwieger gehört zur Staatskapelle Berlin, deren Mitglied einst auch Cellist Timothy Park war, und Bratscherin Madeleine Carruzzo zu den Berliner Philharmonikern, als deren allererste weibliche Instrumentalistin sie in die Geschichte des Klangkörpers eingegangen ist. 2005 gründete Michael Barenboim das Erlenbusch Quartett, um auch in der Kammermusik in enger langjähriger Zusammenarbeit in vergleichbare Tiefen vorzudringen. Dabei durchaus mutig mit neuerer Quartettliteratur, wie das Publikum im ausverkauften Gautinger Kulturhaus Bosco nun erfahren durfte.

Alle drei Werke des Abends waren im Grunde avantgardistisch - zumindest in ihrer Zeit. Vor allem Haydns spätes Quartett op. 76/1 aus der berühmtesten Werkgruppe des Komponisten, der auch das Quinten-, Kaiser- und Sonnenaufgang-Quartett angehören. Das G-Dur-Quartett ist zwar noch klassisch, doch nimmt es bereits romantische Elemente vorweg, was im Programm die Verbindung zu Brahms hörbar rechtfertigte. Gerade was die Weiterentwicklung der Themen schon in der Exposition betrifft, die bei Haydn unentwegt für fesselnde Überraschung sorgte, bei Brahms dann im Grunde laufend Neues bot. Strawinskys "Trois pièces pour quatuor à cordes" von 1914 schließlich erreichten eine konsequente programmatische Freiheit. Und das Erlenbusch Quartett zielte mit dieser Zusammenstellung und seiner Interpretation darauf ab, die nicht eben selten gespielten Werke von Haydn und Brahms neu zu hören.

Gleich zu Beginn schärften die als Nachklang von Strawinskys revolutionärem "Le sacre du printemps" entstandenen Miniaturen die Sinne. Sprengten vor allem die bis dahin geltenden Grenzen, was Spieltechniken, Harmonik und Ausdruck betrifft. Was nebenbei alle drei Werke verband, war der folkloristische Aspekt, mit dem sich die Komponisten zu ihrer Tradition bekannten. Das Ensemble prägte sie entsprechend differenziert und treffsicher aus.

Russisches Poltern in Strawinskys "Dance" bekam liturgische Spiritualität als Antwort in "Cantique". Bei Haydn glänzte das Ensemble mit einem leichtfüßig vergnügten Ländler als Trio des dritten Satzes. Und schließlich bezauberte in der Interpretation von Brahms' komplexen lyrischen a-Moll-Quartett op. 51/2 das zweite, lieblich-folkloristische Thema im Schlusssatz. Ein konzentriertes Kontrastprogramm, mit dem das Erlenbusch Quartett vor allem die schlüssige Dramaturgie seiner Interpretationen vorführte, die Musik sorgsam austarierte und durchmodellierte. Begeisterter, lang anhaltender Applaus und ein zweiter Satz aus Verdis Quartett in der Zugabe.

© SZ vom 17.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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