Kirchenasyl:Schwäbischer Akzent

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Hassam Karmov aus Syrien. (Foto: Georgine Treybal)

Hassam Karmov hofft, in Deutschland bleiben zu können

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Für den 31-jährigen Syrer Hassam Karmov eröffnet das Kirchenasyl in Tutzing eine neue Lebensperspektive. Er studiert heute in Augsburg Wirtschaftsinformatik, lebt allein in einer kleinen Wohnung in Ettringen im Unterallgäu, engagiert sich selbst ehrenamtlich in der Asylhilfe am Ort. Im Jahr 2015 verbrachte er knapp sechs Monate in der Pfarrei St. Joseph. Zuvor hatte er, wie er sagt, eine 3000-Kilometer-Odyssee von Syrien bis nach Deutschland hinter sich - zu Fuß. Auslöser für seine Flucht war ein Anschlag, bei dem er von seinem Arbeitsplatz aus, einem Bankinstitut, mit ansehen musste, wie es mehrere Kollegen förmlich zerriss.

Mit ein paar Freunden schlägt er sich über die Türkei, Griechenland und Serbien bis nach Ungarn durch. In Budapest sperrt ihn die Polizei drei Tage ins Gefängnis. "Das war wirklich furchtbar", erinnert er sich. Danach schlägt er sich über Österreich nach Deutschland durch. Freunde schicken ihm Bilder von seinem zerstörten Elternhaus. Seine Eltern sind vermutlich tot.

Nach der Aufnahme im Kirchenasyl lernt er rasch mit Hilfe einer ehrenamtlichen Lehrerin sehr gut Deutsch, spricht heute mit leicht schwäbischem Akzent. Die Zeit im Kirchenasyl, die er zuerst mit einem, dann mit zwei anderen Flüchtlingen teilte, ist für ihn "einerseits schwierig, weil wir im Gelände bleiben sollten, andererseits war das ein Gefühl von Sicherheit". Der Syrer erhält eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Weil sein Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Bachelor-Abschluss aus Syrien hier nicht anerkannt wird, kniet er sich in das Studium in Augsburg. "Es ist viel Druck", sagt er. Denn er jobbt nebenher.

Dass die Aufenthaltserlaubnis in einem Jahr ausläuft, bedrückt ihn. Er sagt, er erfülle alle Voraussetzungen für eine dauerhafte Niederlassung. Aber ob sie gewährt wird? Gefragt, ob er nach Syrien zurückkehren würde, wenn dort Frieden einkehren würde, zögert er. "Kommt darauf an, ich will arbeiten, mir eine Zukunft aufbauen." In seiner Heimatstadt hat er keine Verwandten mehr. Wer noch lebt, ist geflohen, die meisten in die Türkei.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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