Kirche:Der Pfarrer hat's eilig

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Leander Mikschl ist von früh bis spät in seiner Pfarrgemeinde unterwegs. Trotzdem sieht er sich Vorwürfen ausgesetzt, er kümmere sich zu wenig um die Gläubigen

Von Carlotta Cornelius

PöckingPfarrer Leander Mikschl sitzt in seinem Büro. An den Wänden hängen bunte Bilder, Geschenke der Kommunionskinder, auf dem Tisch stapeln sich Krimskrams und Kruzifixe des ehemaligen Benefiziaten aus Indien. "Die Wohnung mussten wir jetzt die Tage leerräumen", sagt Mikschl. Es ist früher Vormittag und bis auf das Zwitschern der Vögel vor dem Fenster ist alles still. Es ist die Ruhe vor dem Sturm.

Kaum einen Monat ist es her, dass Mikschl, der als Pfarrer für Pöcking, Feldafing und Traubing zuständig ist, zu seinem Vortrag "Was macht der Pfarrer den lieben langen Tag?" in den Pfarrsaal der Kirche Heilig Kreuz einlud. Der Anlass konnte aktueller nicht sein: Immer wieder wird ihm vorgeworfen, dass er sich nicht genug in die Gemeinden einbringe. Denn wer die Arbeit eines Pfarrers nicht kennt, erliege schnell dem Irrtum, dass dazu nicht viel mehr gehört, als der wöchentliche Gottesdienst. Mikschl wollte für Aufklärung sorgen, die Resonanz war groß.

"Es waren gut 40 Leute da", resümiert er. "Was viel ist, normalerweise kommen zu solchen Veranstaltungen nur um die 20." Unter den Anwesenden zeigten sich auch jene, die sich zuvor über das begrenzte Engagement des Pfarrers echauffiert hatten. "Die haben nachher gesagt, jetzt verstehen sie, dass das einfach nicht geht." An Mikschl selbst liegt es nicht, tatsächlich würde er sich gerne mehr Zeit für die Gemeinden nehmen. "Die Pfarrer bei denen ich gelernt habe, waren noch ganz anders in ihrer Pfarrei verwurzelt", erzählt er. Zu Zeiten, in denen immer mehr Pfarreien zusammengelegt würden, sei das nicht mehr möglich.

Zu Mikschls Aufgaben gehört auch der Religionsunterricht an der Grundschule in Traubing. (Foto: Nila Thiel)

In den 25 Jahren seiner Amtszeit habe sich vieles verändert, manches zum Schlechteren. "Heute frage ich mich, ob ich den Beruf rückblickend noch machen würde", gesteht Mikschl. Von Burnout wolle er nicht sprechen, viel fehle dazu aber nicht. Um das genauer zu begreifen, begleiten wir ihn einen Tag lang bei der Arbeit, einem, wie er sagt, typischen Arbeitstag unter der Woche. Mit dem Frühstück und der Laudes um acht Uhr geht es los. Um neun Uhr geht es weiter nach Traubing zum Gottesdienst, danach zurück nach Pöcking zur Büroarbeit. Abstimmen mit der Sekretärin, Post durchgehen, die Einführung für den nächsten Gottesdienst vorbereiten, Lieder heraussuchen. Zwischendurch Anliegen, die Mikschls Absegnung als Stiftungsinhaber der Gemeinden erfordern. Um elf Uhr wieder Traubing, Religionsunterricht an der Grundschule. Sechs Wochenstunden stehen in Mikschls Dienstauftrag, Unterrichtsvor- und Nachbereitung nicht eingerechnet.

Ausnahmen gebe es nur in Sonderfällen. Wer die Stunden nicht einhalte, bekomme den Sold gekürzt. Zum Unterricht zählt an manchen Tagen auch die Pausenaufsicht: Der Pfarrer passt auf, schlichtet Streitereien. Einer der Schüler kommt und fragt, warum der Gottesdienst in Traubing mal um neun, mal um zehn Uhr stattfinde. "Die Gemeinden wechseln sich ab", erklärt Mikschl freundlich. "Ich kann ja nicht überall gleichzeitig sein."

Obwohl der Pfarrer noch den Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten muss - um acht Uhr morgens in Feldafing -b sind ihm kurzfristig zwei Termine dazwischengekommen. Eine Schlichtung, bei der es um die Belegung des Feldafinger Kirchenparkplatzes geht, und ein Trauergespräch. "Die klassische Seelsorge kommt heutzutage eigentlich viel zu kurz", sagt Mikschl. Vorhandene Angebote müssten zudem besser kommuniziert werden, manche Pfarrer böten gar keine Trauergespräche mehr an. Mit den Angehörigen wird der Ablauf des Trauergottesdienstes besprochen, auch die Vita des Verstorbenen ist für die Predigt von Bedeutung. Oft, erklärt Mikschl, hätten die Gespräche auch therapeutischen Charakter. Ausgebildet oder vorbereitet wurde er darauf vor Amtsantritt nicht. Trotzdem ist die Seelsorge Mikschls Herzensangelegenheit, der Mangel daran seine größte Sorge. "Ich schätze die Diversität an meinem Beruf", sagt er, "aber für so viele zu sorgen, überfordert über die Jahre. Man sieht auch keinen Ausweg, weil es ja nicht weniger wird." So seien selbst Ruhestandsgeistliche für Gottesdienstvertretungen oft über Wochen im Voraus ausgebucht.

Es ist kurz vor fünf Uhr, an Dienstschluss denkt der Pfarrer noch lange nicht. Um 17 Uhr steht eine Kirchenverwaltungssitzung in Feldafing an, danach eine zweite in Pöcking. Wenn er die Unterrichtsvorbereitung auf morgen früh verschiebt, hat er um 22 Uhr Feierabend.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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