Kempfenhausen:Zeitgemäße Improvisation

Lesezeit: 2 min

Hingebungsvoll: Das Quartett Jisir bei seinem Auftritt im Rittersaal des Schlosses Kempfenhausen. (Foto: Georgine Treybal)

Die Gruppe Jisir spielt klassische arabische Musik

Von Reinhard Palmer, Kempfenhausen

Auch wenn sie gänzlich anders klingt: Die klassische arabische Musik hat eine Menge mit der okzidentalen Musik gemein. Im Laufe der Musikgeschichte gab es immer wieder Berührungen und Wechselwirkungen, nicht nur in Al-Andalus auf der iberischen Halbinsel. Verstärkt ist das seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Neuen Musik zu beobachten - und in jüngster Zeit auch dank Musikern wie Roman Bunka, der zu den Pionieren der Weltmusik gehört und schon in der Formation Embryo die Gitarre und die Oud spielte. Diese arabische Kurzhalslaute erlernte er in Kairo, und er versteht es, sie in Jazz und Rock anzuwenden.

Dass im Rittersaal des Kempfenhausener Schlosses, zu Gast beim Kulturverein Berg, eine Bratsche zu hören war, ist keinesfalls als Stilbruch in der arabischen Musik zu werten, denn Streichinstrumente gehören seit jeher zum orientalischen Instrumentarium. Natürlich ist die Spieltechnik von Ehab Abou Fakhar an der Viola eine gänzlich andere, nicht nur wegen der mikrotonalen Skalen, sondern auch in Hinblick auf die Klanggestaltung. Die spezifische Färbung entsteht ganz ohne Vibrato und mit wenig Druck auf den Bogen, um die Obertöne hervorzuheben. Die Töne werden entsprechend mit Glissandi angefahren und mit Melismen umspielt. Besonders unisono mit der Oud, die neben Bunka auch Abathar Kmash spielte, ergab sich die erzählerisch geformte Klangnote in reinster Form.

Abou Fakhar und Kmash kamen beide Anfang des Jahres auf der Balkanroute aus Syrien nach München. Sie bilden zusammen mit dem Marokkaner Muhsin Ramdan die Gruppe Jisr (Brücke), deren Konzerte stets ausverkauft sind. Ramdan spielt die Perkussionsinstrumente (die Bechertrommel Darbukka und die Rahmentrommeln Daff), aber auch die Hauptrolle, denn der melancholisch anmutende, weitschweifend-ekstatische Gesang steht im Mittelpunkt der arabischen Musik und in enger Verbindung zur Dichtung, deren künstlerische Darbietung in der Regel über die Rezitation der Suren aus dem Koran erlernt wird.

Ihre Deutung aus dem Moment heraus mit möglichst intensivem emotionalem Nachdruck indiziert die künstlerische Qualität der Interpreten. Denn anders als in der klassischen westlichen Musik gehören die Improvisation und die Freiheit in der Ausgestaltung der ausführenden Musiker zur Interpretation nicht nur der volkstümlichen, sondern auch der klassischen arabischen Musik.

Und gerade darin zeigte sich das Ensemble tief beseelt, hingebungsvoll und mit der Anwendung der Heterophonie, also der Abweichung von der reinen Monophonie, auch zeitgemäß und offen für den interkulturellen Austausch. Ovationen und eine Zugabe blieben nicht aus.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: