Kammermusikabend:Persische Leidenschaft

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Der Pianist Aaron Pilsan und Kian Soltani mit dem Cello beim Auftritt im Gautinger Kultursaal Bosco. (Foto: Nila Thiel)

Kian Soltani und Aaron Pilsan meistern ihren Auftritt im ausverkauften Bosco mit viel Gefühl

Von Reinhard Palmer, Gauting

Ein Blick in die Vita der beiden jungen Musiker hat wohl genügt, um am Konzert im Gautinger Kultursaal Bosco interessiert zu sein. Dass es so bald ausverkauft war, überraschte dann doch. Werke von Komponisten wie Claude Debussy, Francis Poulenc oder dem in den USA lebende Iraner Reza Vali und Dmitri Schostakowitsch sind eher selten auf dem Programm; und wenn, dann meist als Ergänzung zur gängigen Musikliteratur.

Dass der vor mehr als einem Jahr verstorbene Rainer Köhler bei der Planung, das Wagnis eingegangen war, lag wohl an seinem mit den Jahren gewachsenen Gespür für große Musikerkarrieren. Das österreichische Duo mit dem persischstämmigen Violoncellist Kian Soltani und Aaron Pilsan am Flügel überzeugt seit Jahren diverse Fachjurys und Publikum weltweit. Allmählich entwachsen die beiden Instrumentalisten dem Rising-Star-Programm, bewahren sich aber ihren jugendlichen Zugriff, den sie mit Hingabe auch im Bosco zeigten.

Sich so intensiv, konzentriert und bedingungslos in die Musik zu vertiefen, fesselte nicht nur, es übte geradezu einen Sog aus, dem man sich als Zuhörer kaum entziehen konnte. Mit diesem Ansatz war es dem Duo möglich, die bisweilen stark kontrastierte Materie unter einem stimmigem Spannungsbogen in eine selbstverständlich wirkende Logik zu bringen.

Gerade bei Poulenc, in dessen zwischen 1940 und 1948 komponierter Sonate ein weit gefächertes Ausdrucksspektrum dicht aufeinanderfolgt, war das nicht einfach. Der Poet und Clown der Groupe des Six war nicht nur um die Erneuerung der französischen Musiktradition bemüht, sondern auch darum, die ernste Musik vom hohen Sockel in den Alltag herunter zu holen. Frech, kapriziös und ironisch packten Soltani und Pilsan das viersätzige Werk an, changierten aber auch feinsinnig ins Kantable hinein, zogen bisweilen empfindsam zarte melodische Linien, um sie sogleich auch wieder spritzig, schon mal spöttisch aufzulösen. Spieltechnisch ein kniffliges Kunststück, das aber weder Soltani noch Pilsan anzustrengen schien. Ganz im Gegenteil. Zumal der Weg zum Finale noch weit war und obwohl die Sonate in d-Moll von 1915 von Debussy zur Eröffnung des Abends die Musiker schon eine Menge Kraft gekostet hatte. Es war kein Werk von nebulös-impressionistischer Charakteristik, sondern vielmehr der Versuch des damals 53-jährigen Komponisten, an die französische Tradition in Nachfolge von Rameau und Couperin anzuknüpfen.

Auch Claude Debussy erzählte Geschichten, formte Szenen und Bilder, was Soltani und Pilsan mit packender Diktion geradezu wörtlich nahmen. Bis hin zu den für Debussy ungewohnt possenhaften Späßen der italienischen Commedia dell'Arte. Soltani und Pilsan entwarfen dafür eine klare Dramaturgie, die sich sogar über die Satzgrenzen hinwegsetzte und das Werk zu einer impulsiven Einheit zusammen klammerte.

Nur bei der Auswahl von drei "Persian Folk Songs" von Reza Vali konnten die Musiker auf programmatische Titel zurückgreifen: "Verlangen", "Das Mädchen von Shiraz" und "Liebestrunken". Es ging um Geschichten im Sinne persisch-rhapsodischer Erzählweise, in der Charakterisierung der persischen Musik mit ihren Schleiftönen und um sich kreisenden Motiven treu, dennoch mit ihrer Harmonik in der abendländischen Musikauffassung ins Programm des Abends integriert. Emotional rückte das persische Temperament durchaus bei beiden Interpreten in den Vordergrund und ließ der Leidenschaft freien Lauf.

Auf programmatische Hintergründe verwiesen die vier Sätze der Sonate in d-Moll opus 40 von Schostakowitsch, doch ohne Überlieferung der Inhalte. Schostakowitsch zügelte sich, denn er musste Aussagen so verkleiden, dass die Zensurbehörde sie nicht konnte. Der erst 28-jährige Komponist geriet mit den Behörden immer wieder in Konflikte, die hier wohl unterschwellig thematisiert wurden. Trotz klassischer Formen nahm sich Schostakowitsch hintergründige Freiheiten heraus, die das Duo Soltani und Pilsan fein differenziert auskostete. Frenetische Ovationen und eine Zugabe beendeten den großartigen Kammermusikabend.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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