Inninger Geschichtsblätter:Neustart nach dem Krieg

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Nichts zu essen und keine Wohnungen: Heft vier der Inninger Geschichtsblätter liegt vor - es handelt vom "Wiederbeginn nach 1945 in Inning und Buch".

Christine Setzwein

Ein Filmregisseur als Bürgermeister in Buch, Wohnungsnot und Lebensmittelknappheit, Lehrermangel und neue Kirchenglocken - vom "Wiederbeginn nach 1945 in Inning und Buch" handelt Heft vier der Inninger Geschichtsblätter, das jetzt vorliegt. Kein Abfall- oder Zufallsprodukt, sondern Ergebnis fleißiger und akribischer Arbeit von Jutta Göbber, Edeltraud Schramm und Monika Trepte, allesamt Vorstandsmitglieder des Heimatgeschichte-Vereins.

Eine Glockenweihe im Jahr 1947: Die allmähliche Rückkehr zur Normalität. (Foto: privat)

Es ist eine harte Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Viele Männer sind gefallen oder noch in Kriegsgefangenschaft. Es gibt kaum etwas zu essen, Lebensmittel, aber auch Schuhleder, Werkzeug oder Papier sind rationiert. Ganz besonders schlimm aber ist die Wohnungsnot in Inning und Buch, damals noch zwei eigenständige Gemeinden. Wie auch im übrigen Landkreis Starnberg müssen hier Flüchtlinge aus dem Sudetenland und aus Schlesien sowie Ausgebombte aus München untergebracht werden.

Viele Villen in Buch und die Zimmer beim "Schreyegg" in Stegen waren bereits von den Amerikanern belegt. Jede Kammer, jedes Wochenendhaus, jedes Fremdenzimmer wurde beschlagnahmt, sofern sich die Eigentümer gegen neue Mieter wehrten. Dank "Vitamin B" blieb freilich auch damals schon so manches Sommerhäuschen verschont, wie sich 1948 der Inninger Bürgermeister Baptist Plonner in einem Schreiben an den Landrat bitter beklagte: "Diese Missstände in der Gemeinde sind durch die Projektionswirtschaft entstanden, dass einzelne Herren, die glaubten, in Inning unbedingt einen Wochenendaufenthalt haben zu müssen, trotzdem sie in München reguläre Wohnungen besitzen, in jedem Einzelfall durch den ehemaligen Landrat . . . nachgegeben wurde."

Gab es in den letzten Kriegsjahren schon kaum mehr etwas zu essen, lag die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln im April 1945 fast gänzlich am Boden. Man empfahl sogar den Verzehr von Schnecken, schreiben die Ortshistorikerinnen in ihren Geschichtsblättern. Probleme mit Übergewicht hatten die Inninger und Bucher seinerzeit wahrlich nicht, wie im September 1946 das Wiegen zeigte, das die Militärregierung befohlen hatte. Die je 50 Frauen und Männer, die an einem Sonntag nach der Messe auf die Waage stiegen, hatten ein Durchschnittsgewicht von 56 bis 58 und 58 bis 65 Kilogramm.

Mangelware war nicht nur Essen, es fehlte auch an Haushaltsgeräten, Werkzeugen, an Möbeln, Öfen, Schulbüchern und Kleidung. War es für die Einheimischen schon zu wenig, wurde die Lage durch die vielen Flüchtlinge noch verschlimmert. 400 Flüchtlinge lebten 1947 in Inning, und zu den 900 Ortsansässigen kamen noch 150 Evakuierte dazu. Dass dies nicht ohne Spannungen und Reibungen abging, ist verständlich.

Allerdings integrierten sich die Neuankömmlinge schnell, wie die Autorinnen herausgefunden haben. Sie wollten auch nicht zur Last fallen, gründeten eigene Betriebe, beteiligten sich am kulturellen und kirchlichen Leben - und übernahmen auch bald gemeindliche Funktionen. Ein Name sticht dabei besonders heraus: Franz Pupeter. Auch der spätere langjährige Bürgermeister von Inning war ein Flüchtling. Er kam aus Krummau im Sudetenland. Von Anfang an kümmerte sich Pupeter intensiv um die Flüchtlinge, bis er 1949 in den Postdienst wechselte.

Politischer Wiederbeginn, Handel und Gewerbe, Schule und Kirche, mutige Frauen und sportliche Männer - wer in die Nachkriegswelt von Inning eintauchen will, ist mit diesen Geschichtsblättern gut bedient. Die Verfasserinnen vom Heimatgeschichte-Verein haben dafür wieder tief in den Archiven gewühlt. Sie haben Dokumente, Berichte, Briefe und Akten gesichtet und ausgewertet und mit Zeitzeugen gesprochen.

Übrigens: Der Regisseur, den die Amerikaner 1945 zum Bürgermeister von Buch ernannten, hieß Jacob Geis. Er dürfte nur noch echten Filmfans ein Begriff sein: Geis hat für "Die Geierwally", das schwerblütige Bauerndrama von 1940, das Drehbuch geschrieben.

Gegen eine Spende in Höhe von zehn Euro ist das Büchlein, das in einer Auflage von 250 Stück erschienen ist, bei Schreibwaren Schroeren, in der Inninger Bücherei und im Café Huttner erhältlich.

© SZ vom 07.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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