Inning:Freispruch für Firmenchef

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Staatsanwalt hatte zunächst Scheinselbständigkeit bemängelt

Von Christian Deussing, Inning

In einem Prozess um irreguläre Beschäftigungsverhältnisse musste sich am Dienstag der 74 Jahre alte Gründer und Geschäftsführer eines Unternehmens aus Inning vor dem Schöffengericht in Starnberg verantworten. Auch seine Tochter, die zeitweise als Geschäftsführerin eingesetzt war, wurde angeklagt. Die Staatsanwaltschaft warf beiden vor, zwischen 2005 und 2009 bei insgesamt acht Sekretärinnen keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt und sie als "scheinselbständig" beschäftigt zu haben. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Schreibkräfte "abhängig und weisungsgebunden" nur für diesen Betrieb tätig gewesen seien.

Für die Versicherungen ist laut Anklage ein Schaden von knapp 117 000 Euro entstanden. In einem Vergleich vor dem Landessozialgericht hatte die Firma aber bereits 70 000 Euro beglichen. Im Strafprozess konnte den Angeklagten nun kein Vorsatz nachgewiesen werden - sie wurden freigesprochen.

Für eine Verurteilung habe die Beweislage nicht ausgereicht, auch bei den konkreten Fällen seien "zu viele Fragen offen geblieben", begründete Richterin Brigitte Braun den Freispruch. Selbst der Staatsanwalt hielt es für denkbar, dass die Angeklagten nicht vorsätzlich gehandelt haben. Er sah jedoch beim Firmenchef eine "Fahrlässigkeit", weil man in dieser Position eigentlich wissen müsse, "was in seinem Laden läuft". Dennoch plädierte auch der Anklagevertreter am Ende auf Freispruch - allerdings nur "im Zweifel für den Angeklagten."

Der Firmenchef hatte betont, für die technischen, aber nicht kaufmännischen und personellen Belange zuständig gewesen zu sein. Er habe die betreffenden Personen nicht gekannt und auch nie das Interesse gehabt, "mit Scheinselbständigen Geld zu sparen". Der Verteidiger verwies darauf, dass in diesem Unternehmen damals 99 Prozent der Beschäftigten fest angestellt gewesen seien. Sein Mandant habe keinen Anlass gehabt, davon auszugehen, dass etwas in einem Bereich "schief laufen könnte". Zudem hatte sich der Unternehmer schon in der fraglichen Zeit weitgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen.

Als wichtiger Zeuge wurde im Prozess der verantwortliche Personalchef vernommen, der mittlerweile auch Geschäftsführer geworden ist. Der 48-Jährige betonte, er habe sich bei der Suche nach Büroschreibkräften über Annoncen und Dienstleister auch auf die Auskünfte vom Steuerberater verlassen. Dabei sei es um die Kriterien gegangen, die jene Bewerber für ihren selbständigen Status erfüllen müssten. "Wir haben Rechnungen nicht vertuscht, alles ist in den Bilanzen aufgetaucht", sagte der Diplom-Betriebswirt. Überdies hätten Wirtschaftsprüfer und die Deutsche Rentenversicherung nichts beanstandet.

Nach Hinweisen waren Ermittler des Zollamtes Rosenheim im Jahr 2007 auf die Firma in Inning aufmerksam geworden. Es folgten bundesweit Durchsuchungen in Niederlassungen des expandierenden Unternehmens. Hierbei stießen die Kontrolleure auf 26 Mitarbeiter, deren Beschäftigungsart sozialversicherungsrechtlich dubios erschien. Doch übrig blieben nur noch acht Personen. Die Firma verzichtet inzwischen auf freiberufliche Aushilfsdienste - das erledigt jetzt eine neue Telefonanlage.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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