Improvisation:Grunzen und gurgeln

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Er krächzt, flüstert und brüllt in Krailling: Jaap Blonk nutzt die Stimme als Instrument . (Foto: Georgine Treybal)

Jaap Blonk und Udo Schindler in Krailling

Von Reinhard Palmer, Krailling

Es ist ein merkwürdiges Phänomen: Sobald eine menschliche Stimme zu vernehmen ist, versucht man krampfhaft, einen vermeintlichen Text herauszuhören. Bei dem Niederländer Jaap Blonk tut man es weitgehend vergeblich, denn seine Texte sind in der Regel in erfundenen Sprachen formuliert, klingen mal Japanisch, mal Ungarisch, dann Chinesisch, aber immer wieder auch nordisch, vielleicht tatsächlich auch Holländisch, ja möglicherweise sogar verständlich, sofern man die Sprache beherrscht. Aber das ist im Grunde nicht wichtig, denn worauf es ankommt, ist Ausdruck, Klang, Rhythmus, immer mit ausgeprägter Mimik untermauert. Kurzum: Für Jaap Blonk ist die Stimme ein Musikinstrument, das in den kuriosesten Spielarten und Techniken der Tonerzeugung zum Einsatz gelangt. Und da sich der Künstler auch mit dadaistischer Lautmalerei intensiv befasst, erklang auch reichlich Skurriles und Absurdes in seinem Beitrag zur Ad-hoc-Improvisation im Duo mit dem Blasinstrumentalisten Udo Schindler in dessen "Kraillinger Salon für Klang und Kunst".

Jaap Blonk geht bei seinen Auftritten nicht gerade behutsam mit seinem Instrument um. Seine Stimmbänder werden schon reichlich strapaziert, vor allem in den schrill kreischenden, krächzenden, schreienden, grunzenden, gurgelnden, tremolierenden, grölenden, meckernden und schnarchenden Registern, zumal sich der Stimmakrobat auch in Sachen Dynamik nicht gerade zurückhielt. Seine Stimme erklang über weite Strecken intensiv, oft in dichter Textur, aber auch schon mal in weit gezogenen Linien, wenn Schindler etwa auf der Bassklarinetten einen kleinteilig-hyperaktiven Hintergrund ausstreute. Blasinstrumente und menschliche Stimme finden per se bereits viele gegenseitige Anknüpfungspunkte, vor allem, wenn Schindler mit geräuschhaft-luftigen, schnalzenden, schmatzenden oder knutschenden Tönen auf Blonks Geschnatter und Gequake antwortete. Immer wieder ließen sich die beiden Musiker auf imitatorische Spielchen ein, selbst wenn der Niederländer humoristisch zu Donald Duck mutierte oder eben in Zeichentrickfilm-Manier ein spannend erzählendes Mickey-Mousing fürs Kopfkino kreierte.

Umso wirkungsvoller erwiesen sich die wenigen leisen Momente, mit geflüsterten Fantasieworten und flehendem Winseln durch die Rohre von Kornett oder Sopransaxofon von Schindler. Ja, selbst wenn das Duo komplett verstummte, war der musikalische Faden nie gerissen. Die Rücknahmen provozierten indes vor allem Blonk, mit in Echtzeit manipulierter Elektronik dazwischen zu fahren, was etwas Brutales, Zerstörerisches an sich haben konnte. Schindler folgte behutsamer, aber nicht zimperlicher, insbesondere am Sopransaxofon in eruptiven Höhepunkten schrill und scharftönig. Dabei waren die elektronischen Klänge, die Blonk seinen Stimmeinlagen ähnlich mit Konsolensteuerung durchdifferenzierte, für Schindler eine Herausforderung. Als die Kakofonie außer Kontrolle zu geraten drohte, überraschte Blonk mit einem wohltuend schönen Durakkord. Eine Insel der Seligkeit in all der Spannung. Ein Fremdling in den weiten Gefilden der Ad-hoc-Improvisation, der sich nur selten dahin verirrt, weil er letztendlich musikalisch allzu simpel ist. Sein Einfluss war auch nur von kurzer Dauer, und ging in der sonst reichen Polychromie schnell unter. Ein abstraktes Melodram mit Tuba und Stimmgeräuschen gab es als Zugabe.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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