"Im Atelier":Bildschöne Biotope

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Für ihren neuen Fotoband hat Maren Martell 28 Künstler in ihren Werkstätten besucht. Sie bietet atmosphärisch dichte Einblicke in die Arbeits- und Lebenswelt der Kulturschaffenden

Von Armin Greune, Dießen

Der Ammersee und der westlich angrenzende Lechrain sind wahrlich reich an Biotopen. Nicht nur Pflanzen und Tiere profitieren von der Vielfalt ökologischer Nischen, auch manch schräger Kauz oder schillernder Paradiesvogel, der eigentlich der Spezies des Homo Creativus zugeordnet werden muss, fühlt sich dort wohl. Die meisten Vertreter dieser schützenswerten Art sind freilich von Natur aus eher scheu. Der Fotografin und Journalistin Maren Martell ist es dennoch gelungen, ihre Bauten und Nester aufzusuchen: Im neuen Bildband "Im Atelier" offeriert sie intime Einblicke in die Schlupfwinkel von 28 Künstlern, die ihren Lebens- und Arbeitsraum in der Landschaft zwischen Ammersee und Lech gefunden haben.

Bernd Zimmer kann sich in einer 1400 Quadratmeter großen Werkstattausbreiten. (Foto: Maren Martell)

Dabei sind die Millieus so unterschiedlich, wie die Menschen, die dort beheimatte sind. Die Malerin Angelika Böhm-Silberhorn hat ihr Atelier im ehemaligen "Ärmste-Leute-Haus" an Uttings Hauptstraße. Nicht weit davon ist Angelika Hoegerl Herrin über ein 8000-Quadratmeter-Grundstück in Holzhausen, das mit einem Ensemble einfacher Holzhäuser bebaut ist. Andreas Kloker lebt und arbeitet in einem Schondorfer Häuschen, das von einem weitläufigen, verwunschenen Garten umgeben ist, er bespielt zudem im Ort sein Skriptorium, ursprünglich ein Buswartehäuschen. Annunciata Foresti, die sich selbst "Kulturarbeiterin" nennt, hat sich das ehemalige Stellwerk in Dießen zur Werkstatt umgebaut. Es bietet nur 45 Quadratmeter Nutzfläche: Wenn sie dort malt, ist es oft so eng, dass man sich zwischen Arbeitstisch, Stellwänden und großformatigen Leinwänden kaum umdrehen kann. Im Gegensatz dazu steht das Reich von Bernd Zimmer, der in Oberhausen bei Weilheim über eine 1400 Quadratmeter große Halle verfügt, die als ehemalige Strickerei allerdings nur ziemlich spröden Charme versprüht.

Annunciata Foresti begnügt sich in ihrem Dießener Stellwerk mit lediglich 45 Quadratmetern Nutzfläche. (Foto: Maren Martell)

All das hat Maren Martell aus großer Nähe und so atmosphärisch dicht ins Bild gesetzt, dass der Betrachter glaubt, neben ihr im Atelier zu stehen. Man meint, Katharina Ranftls Schnitzmesser schaben oder den Schwamm über Klokers Schiefertafel huschen zu hören, die herabfallenden Holzspäne und die Farbe in den Töpfen zu riechen. Dazu wird eine Fülle reizvoller Details dargeboten: eine Taube auf der Fensterbank, Gefäße voller Pinsel, eine Schüssel voller Nägel, ein rosa Fahrrad, das eine Flutwelle in eine Baumkrone gespült haben muss. Bildunterschriften braucht es da nicht; die Autorin hat die wesentlichen Informationen zu Werkstatt, Biografie und Opus der Künstler in kompakte Texte gepackt und lässt dabei die Protagonisten möglichst viel selbst zu Wort kommen.

Ein Großteil der Porträtierten war am Donnerstagabend zur offiziellen Buchpräsentation ins Dießener Fritz-Winter-Atelier gekommen. Es wurde wie die Uttinger Wirkungsstätte von Hans Dumler in den Band aufgenommen, obwohl die Maler bereits gestorben sind. Als Gastgeber wünschte Winters Großneffe Michael Gausling dem Buch, dass es bald in die zweite Auflage geht. Unwahrscheinlich ist das ganz und gar nicht, schließlich ist Martell bereits mit ihrem Bildband "Stege" ein Überraschungserfolg zur Freude ihres Verlegers Josef Bauer gelungen. Er rezitierte tiefgründige Gedanken über das Dankbarsein, Foresti würdigte "Im Atelier" als "ästhetisches Bilderbuch und Dokument unserer Zeitgeschichte". Die eigentliche Laudatio hielt Professor Werner Kroener - auch sein Atelier ist im Band vertreten. Er tauchte ausufernd, aber doch sehr kurzweilig in die "regionale Kunstküche" ein und spürte dabei Idylle, Nostalgie und Genius Loci nach.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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