Holzhausen:"Wir Sänger sind unser Instrument"

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Susanne Kelling hat Violoncello und Gesang studiert. Die in München lebende Mezzosopranistin lehrt an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. (Foto: wildundleise München)

Mezzosopranistin Susanne Kelling leitet wieder einen Meisterkurs bei den Musiktagen

Interview von Stephanie Schwaderer, Holzhausen

Klassik aufs Land zu holen und junge Musiker zu fördern - diese Gedanken verband Dénes Zsigmondy, als er 1978 die "Holzhauser Musiktage" ins Leben rief. Der große Geiger ist vor zwei Jahren gestorben, sein kleines Festival lebt fort. Zum vierten Mal bieten die Organisatoren nicht nur einen Meisterkurs für Streicher, sondern auch einen für Sänger an. Die Leitung hat Susanne Kelling.

Manche Künstler behaupten, beim Singen stehe man nackt vor dem Publikum. Empfinden Sie das auch so?

Wir Sänger sind unser Instrument. Wir haben nichts, hinter dem wir uns verstecken könnten. Man kann nicht sagen: Ach, heute habe ich schlechte Saiten aufgezogen. Oder: Mein Stimmstock hat einen Riss. Deshalb muss man als Lehrer besonders behutsam vorgehen: Der Sänger ist immer auch der Mensch.

Sie unterrichten sieben Meisterschüler. Kennen Sie die schon alle?

Die meisten. Zum einen fördern wir ja gezielt Talente aus der Region, zum anderen sind wir international ausgerichtet: Eine junge Türkin und ein junger Tenor aus Paris haben sich per Video bei mir beworben. Die beiden kenne ich noch nicht. Ein sehr begabter Inder war schon das vorige Mal dabei und so begeistert, dass er sich wieder angemeldet hat. Er studiert in meiner Klasse in Nürnberg, ebenso wie ein Bariton aus China, der diesmal erstmals dabei ist. Das wird eine schöne Mischung.

Was ist beim Meisterkurs anders als beim Studium?

Das ganze Umfeld! Die entspannte Urlaubsatmosphäre, die zugleich ein hoch konzentriertes Arbeiten ermöglicht. Vor allem ist es diese Herzlichkeit, die die Holzhauser Musiktage prägt: Gerhild Reid, die Organisatorin, und Johannes Umbreit, der künstlerische Leiter, sind die Seele. Aber auch die großzügigen Sponsoren sowie alle Gasteltern, die Studenten in ihren Häusern beherbergen und ihnen ein so tolles Podium bieten - das ist schon einmalig.

Kann man bei einem solchen Kurs konzentrierter arbeiten als zum Beispiel in einer Einzelstunde?

Das Besondere ist die Arbeit in der Gruppe. Alle hören allen beim Unterricht zu. Das ist im Studium, wo jeder permanent unter Zeit- und Termindruck steht, so nicht machbar. Im Meisterkurs arbeitet man in Ruhe und gemeinsam. Jeder hört jeden, bemerkt, dass auch die fortgeschrittenen Sänger noch entscheidende Details verbessern können, und reflektiert dies für sich. Dazu muss es in der Gruppe natürlich menschlich passen. Bei der Auswahl habe ich auch darauf immer ein Augenmerk.

Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

Technik und musikalische Arbeit gehen Hand in Hand - Stimmbildung, Intonation, Phrasierung, all diese Dinge. Zudem lege ich Wert auf die Bühnenpräsenz der jungen Leute.

In der Region - das wird alljährlich bei "Jugend musiziert" offenkundig- gibt es eine große Schar hochbegabter junger Streicher, aber es gibt nur ganz wenige Sänger. Woran liegt das?

Das ist eine Altersfrage. Die Stimme entwickelt sich erst in der Pubertät. Viele Eltern, die sich an mich wenden, haben Kinder, die seit Jahren erfolgreich ein Instrument spielen, nun 16, 17 Jahre alt sind und singen wollen. Diese Sänger sind gegenüber anderen, die nur mit einer schönen Stimme gesegnet sind, in großem Vorteil.

Nach mehrjähriger Pause wird diesmal auch Ingolf Turban wieder einen Meisterkurs für junge Streicher geben. Tauschen Sie sich aus?

Zunächst läuft der Unterricht parallel. Aber in der Freizeit lernen die Studierenden sich kennen. Das ist wichtig, weil wir ja ein gemeinsames Abschlusskonzert geben. Am Ende wird daher auch intensiv zusammen geprobt. Streicher und Sänger haben viel gemein. Den Streichern sagt man immer: Singen Sie! Und den Sängern sagt man: Ziehen Sie einen imaginären Bogen wie ein Streicher!

Zum Auftakt der Musiktage werden an diesem Donnerstag nicht die Schüler, sondern die Meister auf der Bühne stehen. Was werden Sie singen?

Ein wunderbares romantisches Werk: "Il Tramonto" von Ottorino Respighi. Es geht um ein Liebespaar, das erstmals gemeinsam einen Sonnenuntergang betrachtet und auf das Morgengrauen hofft. Ich hatte dieses Werk im Herbst mit dem großartigen Henschel Quartett bei den Brahmstagen gesungen. Nun freut es mich sehr, dass Professor Turban Lust hatte, es mit seinem Streichorchester I Virtuosi di Paganini zu spielen - das wird sicher eine traumhafte "Italienische Serenade".

Was braucht man außer einer schönen Stimme, um erfolgreich zu sein?

Fleiß, Disziplin, Durchhaltevermögen - und dann noch Glück. Ich war Mitte 20 und eine ausgebildete Cellistin, als Zubin Mehta mich in das Junge Ensemble der Bayerischen Staatsoper engagiert hat und mir klar wurde, dass meine Berufung das Singen ist.

Holzhauser Musiktage: "Italienische Se(e)renade" mit Susanne Kelling (Mezzosopran), Ingolf Turban (Violine) und dem Streichorchester " I Virtuosi di Paganini", Donnerstag, 14. Juli, 20 Uhr, Seeresidenz Alte Post, Seeshaupt, Eintritt 30 Euro; Klavierabend (Beethoven, Schubert, Chopin, Gershwin) mit Michael Endres, Freitag, 15. Juli, 20 Uhr, Seeburg Allmannshausen, 25 Euro; German Brass, Samstag, 23. Juli, 20 Uhr, Gut Ried, Ammerland, 30 Euro; Abschlusskonzert "Junge Talente - Stars von Morgen" mit Johannes Umbreit am Flügel, Sonntag, 24. Juli, 19 Uhr, 18 Euro; Karten gibt es bei München Ticket, Sparkasse Münsing, Edeka Aktiv Markt Münsing sowie unter info@holzhauser-musiktage.de

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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