Historie:Was den Tutzingern blüht

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Der Obst- und Gartenbauverein feiert als einer der ältesten Vereine des Orts sein 110-jähriges Bestehen. Zur Gründerzeit ging es um gesunde Ernährung, heute um naturnahe Ziergärten und alte Apfelsorten

Von Manuela Warkocz, Tutzing

"Nach eingehender Belehrung über verschiedene Dünger und ihre Anwendung geiselte der Referent noch die Überfüllung der Hausgärten mit Tannen, Buchen und Ahorn in nächster Nähe des Hauses." Was der Wanderlehrer Reichenbach 1907 im Tutzinger Hof bei der Gründungsversammlung des Obst- und Gartenbauvereins Tutzing sagte, klingt aktuell. Auch heute geben Fachleute des Vereins Hobbygärtnern Tipps, was sich etwa anstelle von Thujen ans Tutzinger Haus setzen lässt, um einen naturnahen Garten zu gestalten und die Schönheit der Tutzinger Gartenlandschaft zu bewahren. Als einer der ältesten Vereine in der Seegemeinde nach der Feuerwehr und dem Sportverein feiert der Obst- und Gartenbauverein Tutzing am Samstag sein 110-jähriges Bestehen mit einem öffentlichen Festabend.

Aus der Chronik wird deutlich, dass es in der Anfangszeit vor allem um gesunde Ernährung aus dem eigenen Garten ging und darum, wie man Obst und Gemüse am besten konserviert und zubereitet. Die 26 Gründungsherren richteten ihr Augenmerk auch auf alles, was den Ertrag zu schmälern drohte. 1908 sagte man der grassierenden Blattlausepidemie und der Werre (Gemeine Mauswurfsgrille) den Kampf an. 1913 erhielten drei Herren vom königlichen Bezirksamt die Erlaubnis, Amseln abzuschießen. Im 1. Weltkrieg unterstützte der Verein mit Lebensmittelspenden Notleidende. Schon 1920 bat man die Gemeinde um öffentlichen Grund, unter anderem an der Kirchenstraße, um Obstbäume zu pflanzen. Nach 1931 gibt es seltsamerweise keine Unterlagen zum Vereinsgeschehen. 1947 genehmigte das Starnberger Landratsamt die erneute Gründung. Unter den Vorsitzenden Iganz Greimel, Walter Herre und Ewald Brückner entfalteten die mehr als 100 Mitglieder in den Folgejahren viele ehrenamtliche Aktivitäten: Sie schmückten Festwagen zur Glockenweihe in St. Joseph, initiierten eine Pflanzentauschbörse, beteiligten sich an Fischerhochzeiten, am Stefaniritt sowie am Blumenschmuckwettbewerb des Landkreises, bei dem jedes Jahr 18 Tutzinger ausgezeichnet werden. Zudem dekorieren sie bei der Gilde.

Jedes Frühjahr lädt der Obst- und Gartenbauverein zum kostenlosen Baum-Schnittkurs. Bis zu 40 Hobbygärtner lernen im Tutzinger Klostergarten, wie man die Bäume richtig stutzt. Gezeigt werden auch Veredelungstechniken. (Foto: privat/OH)

Regelmäßig kümmert sich der Verein um die Streuobstwiese am Johannishügel. "Wir mähen fast monatlich die Stämme aus, sonst kommen die Wühlmäuse und fressen die Wurzeln weg", sagt 1. Vorstand Dieter Arcypowski. Auf der Wiese soll das Wissen um alte Obstsorten wach gehalten werden. "Klarapfel", "Ananas Reinette" und "Pfarrer Aigner" wachsen dort, wie Schilder an Apfelbäumen verraten. Heuer jedoch ist die Ernte, die sich die Mitglieder einverleiben dürfen, gleich Null. Der späte Frost hat die Apfelblüten zerstört. Die wenigen Früchte stibitzten Spaziergänger, "was völlig in Ordnung ist", betont Arcypowski. Der 47-jährige Werkzeugmacher führt seit 2002 den Verein, der heute über 170 Mitglieder hat. Durchschnittsalter? "Über 70, wir freuen uns über junge Leute."

Die bekommen für zwölf Euro Jahresbeitrag einiges geboten. Wer am Balkon Tomaten züchten will, findet ebenso Gleichgesinnte zum Austausch wie die Eigentümer der heute üblichen 200 bis 400 Quadratmeter großen Reihenhausgärten oder leidenschaftliche Rosenzüchter.

In jedem Frühjahr können Mitglieder und Interessierte kostenlos bei einem Baumschnittkurs im Klostergarten der Missions-Benediktinerinnen mitmachen und lernen, wie man Bäume ertragreich trimmt und veredelt. Fortbildungsfahrten zu Gartenschauen und Vorträge, etwa über Vögel im Garten oder erfolgreiches Kompostieren ergänzen das Programm. Längst sind die Nutzgärten aus der Gründerzeit des Vereins überwiegend den Ziergärten gewichen. Was Ehrenvorsitzender Walter Brückner in die Chronik geschrieben hat, kann aber wohl jeder Gärtner bestätigen: "Im Garten wird man kreativ, lernt Toleranz, übt Geduld, übernimmt Verantwortung, erfährt Freude und Glück."

Die Obstausstellung des Vereins zog 1952 diese Besucherinnen in den Andechser Hof. Dabei ging es auch ums Einwecken. (Foto: privat/OH)

Festabend am 7. Oktober mit Fahneneinzug um 18 Uhr zur Festmesse in St. Joseph, ab 19 Uhr Zusammensein im Roncallihaus mit Jubiläumsfilm.

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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