Herrsching:Wie aus einem Guss

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Zwischen allen Lagen ausgewogen: Sängerin Alexandra Petersamer brillierte in Sankt Nikolaus. (Foto: Nila Thiel)

Bachs Weihnachtsoratorium unter der Leitung von Ludwig Pfell

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Man kann es einfach nicht oft genug hören - das Weihnachtsoratorium von Bach. Bei jeder Aufführung ist der Saal denn auch bis auf den letzten Platz besetzt, wie in St. Nikolaus in Herrsching, als Anton Ludwig Pfell am vierten Adventssonntag zu dessen Kantaten eins bis drei lud. Unzählige Male hatte Pfell zuvor das Werk bereits in Andechs auf die große Bühne gebracht. Und doch ist keine seiner Interpretationen wie die andere. Jede Aufführung eröffnet ihm offenbar neue Blickwinkel auf das Werk, das in seiner Reichhaltigkeit dafür auch genügend musikalische Ansätze bietet. Und da der Projektchor Pfarreiengemeinschaft Ammersee Ost großteils aus Choristen besteht, mit denen Pfell bereits seit vielen Jahren arbeitet, setzt sich die Vertiefung der Materie mit Kontinuität fort. Das gleiche gilt auch für die Zusammenarbeit mit dem Orchester Ensemble Lodron München, die mit den Jahren sehr eng geworden ist.

Die Konstellation aus Chor, Orchester und Solisten stimmig auszubalancieren, ist bei einem so großen Apparat ein recht dynamisches und umso fragileres Konstrukt. Pfell hielt die Zügel daher recht kurz, formte am Pult mit entschiedener, bis ins Detail reichender Diktion. Und schon das schwungvoll-mächtige Paukenmotiv zum Eingang kündigte an, dass es keine zaghafte Interpretation werden würde, sogleich untermauert vom strahlenden Schmetterblech. Wer bedauerte, dass es kein Programmheft mit dem kompletten Text zum Mitlesen gab, konnte sich sogleich versöhnt zurücklehnen, denn selbst in den turbulentesten Chören war jedes Wort klar verständlich. Das lag sicher mitunter an der hervorragenden Akustik der Kirche, die den Nachhall sparsam dosierte und dadurch die Transparenz förderte. Vor allem aber an der disziplinierten Präzision der Choristen, die den Text wohl gedanklich mit Nachdruck skandierten, während sie ihn zugleich hörbar schönmusikalisch ausformten. Und das galt für einen Choral wie "Wie soll ich dich empfangen" in feierlich-satter Breite genauso wie für "Brich an, du schönes Morgenlicht" in strahlender Größe.

Im Solistenensemble gab es Unterschiede in der stimmlichen Größe, doch Einhelligkeit in der Ausformung der jeweiligen Charakteristika. Mit ihrer großen, warmen und vor allem zwischen allen Lagen ausgewogenen Stimmqualität brillierte Alexandra Petersamer im Alt. Der Sopran von Priska Eser erreichte nicht diese Tragweite, doch ihr lyrisch-weiches Timbre hatte eine gewisse Magie, von der auch die beiden Duette profitierten. Darin vermochte der sonst mächtige, intensive Bass Florian Dengler seine Stimme angemessen zu verschlanken und zurückzunehmen. Jan Martin Mächler zeigte sich für den Tenorpart als bestens gewählt, sowohl was die fesselnde und ausdrucksstarke Narration der reich differenzierten Rezitative betraf, als auch im melodiös fließenden Ariengesang. Die Erfahrung Pfells als Interpreten am Pult generell wie speziell im Weihnachtsoratorium Bachs offenbarte sich vor allem in der Gesamtdramaturgie, die hier wie aus einem Guss überzeugte.

Die Instrumentalisten zeigten die größten Stärken solistisch oder im Duo als Dialogpartner der Arien, wo es galt, die Charakteristika der jeweiligen Gesangssolisten aufzugreifen. Ein kontrastierendes Freudenspiel prägte Pfell noch in der Finalpassage des Schlusschores aus, was den ohnehin großen Applausdrang des Publikums zusätzlich anfeuerte.

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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