Der Dauerregen vor der Tür störte an diesem Nachmittag überhaupt nicht. Jörg Bodenbender hatte die Natur nämlich in den Sitzungssaal des Herrschinger Rathauses geholt. Der Fotograf stellt hier an der grauen Betonwand bis zum 15. August eine Auswahl seiner Luftaufnahmen unter dem Motto "Heimat von oben" vor. Seit rund 30 Jahren macht Bodenbender, der in Grafenaschau in der Nähe von Murnau lebt, Luftaufnahmen. Der studierte Biologie und Klimaforscher (Jahrgang 1963) hat 1998 seine beiden Hobbys Fotografie und Fliegen zum Beruf gemacht.
Sobald Wetter- und Lichtbedingungen stimmen, hebt er mit seinem Motorsegler ab. Jeden Morgen gilt sein erster Blick dem Himmel. "Ist die Luft klar? Gibt es eine interessante Stimmung? Wie sehen die Wolken aus?" "Ich muss immer 'standby' sein", betonte er. Termine und Verabredungen kämen erst an zweiter Stelle. "Am schlimmsten sind die angeblich tollen Sommertage", erklärte er. Die von Boden aus hübsch anzusehenden Cirruswolken würden ihm seine Fotos verderben. "Tristes Licht, keine Brillanz, die Seen sehen wie schwarze Löcher aus", erklärt Bodenbender.
Bei der Luftfotografie müssten die Farben und die Motive das Bild tragen. Es fehle der Vordergrund, wie es ihn bei der herkömmlichen Bodenfotografie gibt. Im Laufe der Jahre hat Bodenbender seine Fototechnik verfeinert. Es klingt trotzdem recht spektakulär, wenn er erklärt wie er den Steuerknüppel seines Fliegers mit den Füßen bedient, um die Hände für die Kamera freizuhaben und wie er sich für die Fotos aus dem Fenster des Motorseglers lehnt.
Das Landschaftsaufnahmen aus ungewohnter Perspektive gekoppelt mit brillanten Lichtverhältnissen sind aber nur die eine Seite. Fast genauso wichtig ist, dass die digitalen Datenmengen auf geeignetem Untergrund und möglichst groß aufgezogen werden. In Regina und Bülent Yilmaz vom Copy-Shop Herrsching hat Bodenbender engagierte Partner mit kreativen Ideen gefunden. Längst lässt der Fotograf seine Landschaftsaufnahmen nicht lediglich auf Papier drucken. Die sechs Fotos an der Herrschinger Rathauswand hatten unterschiedliche Untergründe. Zum Beispiel die zwei Meter mal ein Meter lange Ansicht von Ammer- und Wörthsee auf transparentem Acrylglas - ein wahrhaft repräsentatives Foto, das man sich gut in einem Empfangsraum vorstellen konnte. Metallisch hell leuchteten See, Himmel und Wolken auf Aludibond gebürstet und auf Leinwand wirkte das Nebelbild, bei dem lediglich die Kirchturmspitze von Kloster Andechs aus dem undurchdringlichen Weiß ragte, geradezu mystisch. Sogar Holz eignet sich als Trägermaterial wie das mattleuchtende Bild vom Sonnenuntergang an der Herrschinger Bucht belegte. Wegen der begrenzten Fläche für die Ausstellung hatte Bodenbender bei der Vernissage seine Kalender, Bildbände und Postkarten mitgebracht sowie weitere Fotos mit dem Beamer auf die Leinwand projiziert. Vor den Augen der Besucher zogen Eindrücke vom Pfaffenwinkel, dem Fünfseenland, Chiemgau und der Zugspitzregion vorbei. Kristallklare Seen, Kirchen, Schlösser und Dörfer ließen aus der Vogelperspektive ganz neue Bezüge entstehen.
Fast unscheinbar wirkte dagegen die Staffelei mit dem einzelnen Schwarzweiß-Bild, das Dietmar Oehler vom Kulturverein Herrsching zur Verfügung gestellt hatte. Die Postkarte aus dem Jahre 1920 hatte Regina Yilmaz auf Holz aufziehen lassen. Sie zeigte die Herrschinger Bucht vor rund 100 Jahren. Nur wenige Häuser schmiegten sich damals in die hügelige Landschaft des Ammersees. "Genau da hätte man ein Grundstück kaufen sollen", rief ein Besucher.