Herrsching:Von Liebe und Krieg

Lesezeit: 2 min

"Invocation" für zwei: Cellist Jost Hecker und Flamencogitarrist Ricardo Volkert bei ihrem Auftritt in Herrsching. (Foto: Nila Thiel)

Flamencogitarrist Ricardo Volkert und Cellist Jost Hecker treten zur Herrschinger Woche "Asyl ist Menschenrecht" auf

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Das Heimweh drückt schwer auf die Seele, die Mühsal und Entbehrungen der Flucht kommen dazu und natürlich die Enttäuschung, in der Heimat nicht mehr willkommen, ja sogar von Mord bedroht zu sein. Manch ein Dichter unter den Flüchtlingen hat sein Schicksal im Exil in Worte gefasst - nicht nur heute.

"Wir haben ein Jahrhundert der Flucht und Vertreibungen hinter uns", mahnte Martin Hirte, einer der Organisatoren der Herrschinger Woche "Flucht und Asyl". Von der Sehnsucht nach einer gerechteren Welt handelte das Konzert im Welthaus Alte Schule: "Gesänge von Liebe und Krieg - Canciónes de guerra y amor". Ricardo Volkert (Gitarre, Gesang) und Jost Hecker (Cello) bewiesen mit ihren Stücken, dass die Nöte heutiger Asylbewerber sich kaum von denen der Exilanten im Zweiten Weltkrieg unterschieden. Ruhiger und schwermütiger, als man es von Volkerts Flamceno-Abenden kennt, aber ebenso leidenschaftlich klangen die vertonten Gedichte. Die schwarze Kleidung des Herrschinger Musikers bildete einen Kontrast zur dunkelroten Akustikgitarre, der er im Wechsel fließende Fingerpickings und rhythmisch geschlagene Akkorde entlockte. Dazu passte das in spanischer Art gespielte Cello hervorragend.

Der Literaturnobelpreisträgers von 1956, Juan Ramón Jimenez, war vor dem spanischen Bürgerkrieg nach Übersee geflohen und hatte dort seine Depressionen in Literatur verarbeitet. Die Schlaflosigkeit und die Sehnsucht nach dem Meer klangen in der auf- und abwärtsperlenden Melodie Volkerts durch. Auch nach dem Krieg kehrte der Literat nicht nach Spanien zurück. "Weil ich in Freiheit leben möchte", so seine Begründung.

Einer der bekanntesten Exilanten aus der Zeit ist Federico Garciá Lorca. Als linker Homosexueller wurde er 1936 im spanischen Bürgerkrieg von den Faschisten ermordet. Vor diesem Hintergrund bekamen seine "Sonette der dunklen Liebe" gleich eine andere Bedeutung. Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda musste ebenfalls auswandern. In seinem schriftstellerischen Werk versuchte er, die politischen Missstände im faschistischen Spanien in die Weltöffentlichkeit zu bringen. Er floh zuerst nach Paris, dann zurück in seine Heimat Chile. 1939 reiste er nach Paris und half, spanische Emigranten die Ausreise nach Chile zu ermöglichen. "Invocation" (Anrufung) hieß das Stück, bei dem die Musiker den ganzen Körper zum Einsatz brachten und neben dem Saitenspiel mit den Füßen stampften, klopften und riefen.

Antonio Machado starb er bei seiner Flucht 1939 entkräftet in den Pyrenäen. "Caminante - Wanderer, es gibt keinen Weg hinter dir - da liegt nur die Kielspur des Meeres", übersetzte Volkert ein Poem. Aus seiner Liedermacher-Zeit trug er nach der Pause sein vertontes Gedicht von Max Herrmann-Neiße vor. Der Berliner Dichter war 1933 ins Exil nach London geflohen, hatte sich dort aber nie heimisch gefühlt. "Mir bleibt mein Lied, was auch geschieht, mein Reich ist nicht von dieser Welt, ich bin kein Märtyrer und Held, ich lausche allem, was da klingt und sich in mir sein Echo singt. Ob jedes andre Glück mich flieht - mir bleibt mein Lied", sang Volkert. Und aus dem spanischen Gitarristen wurde ein sanfter Liedermacher, der an Reinhard Mey erinnerte. Als Zugabe spielte Ricardo Volkert die Friedenshymne schlechthin: "Where have alle the flowers gone".

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: