Herrsching:Voller Spannung

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Fesselnde Erzähler: Das weltberühmte Szymanowski Quartett bei seinem Konzert im Haus der bayerischen Landwirtschaft. (Foto: Nila Thiel)

Die Musiker des Szymanowski Quartets erweisen sich bei ihrem Auftritt zu den Ammerseerenaden als Meister der Inszenierung und überzeugen auch zusammen mit der Pianistin Elisabeth Brauß

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Von der ersten Festivalausgabe an war das 1995 in Warschau formierte Szymanowski Quartet bei der Ammerseerenade dabei. Das Gründungsjahr des ukrainisch-polnisch besetzten und mittlerweile weltberühmten Ensembles hatte diesmal eine besondere Bewandtnis, denn die Pianistin im Quintett, Elisabeth Brauß, wurde in diesem Jahr geboren. Und zwar in Hannover, wo sie erstmals als zwölfjährige Jungstudentin an der Hochschule dem Szymanowski Quartet begegnen sollte. Nun durfte Brauß im Klavierquintett Es-Dur op. 44 von Robert Schumann im großen Saal des Hauses der Bayerischen Landwirtschaft in Herrsching Teil des von ihr bewunderten Ensembles werden.

Brauß brauchte etwas Zeit, um auch bei den lyrischen Rücknahmen noch hörbar zu sein - dank der Motivation der Mitspieler. Daraus ging sogleich eine erstaunliche Homogenität hervor, gemessen daran, dass so wenig Probenzeit zur Verfügung stand.

Liszt hatte einst das Schumann-Quintett in Hinsicht auf den von Mendelssohn vertretenen Akademismus abwertend "leipzigerisch" genannt. Gemeint waren die letzten beiden Sätze, in denen Brauß ihre Kunst der spieltechnischen Anschlagsdifferenzierung zum großen Teil auch virtuos ausspielen konnte. Während Liszt die einförmigen Tonskalen und offenbar auch der emphatische Aufbau im Schlusssatz störte, ging Brauß darin engagiert und energisch zur Sache. Hier fand sie auch in den lyrischen Antworten auf kraftvolle Passagen die nötige Klangsubstanz, um mit den Streichern die Synthese einzugehen, die sich Schumann ausgedacht hatte, als er mit diesem Werk im Grunde erst die Gattung begründete. Clara Schumann notierte im berüchtigten Haushaltsbuch der Schumanns zu diesem Quintett: "ein Werk voll Kraft und Frische". Und genau dies war in Herrsching in vielen Varianten zu hören.

Das Szymanowski Quartet verstand es, nicht nur Brauß mitzunehmen, sondern auch vom ersten Ton an das Publikum. Die vier Musiker sind fesselnde Erzähler, die unentwegt Szenen und Bilder kreieren, die sich zudem in einem schlüssigen Kontext zueinander fügen. Wie leicht und unbeschwert die Musiker agierten und die Werke lustvoll zum Blühen brachten, sorgte nicht minder für eine intensive Verbindung zu den Zuhörern.

Das Streichquartett des erst 18-jährigen Schubert, geschrieben fürs Familienquartett des Komponisten selbst, verwies durchaus schon auf die späteren, gewichtigeren Werke. Aber es ist noch weit von der Verzweiflungsinnigkeit der Spätzeit entfernt. Hier konnte es allenfalls um eine Vorahnung dessen gehen, was Schuberts Schicksal werden sollte.

Der dramatische Aufbau des Brio-Kopfsatzes sollte vom Ensemble bald abgebogen werden ins Geschmeidig-Galante. Wie das Szymanowski Quartet schließlich in der Zugabe mit einer schmissigen Polka bewies, sind seine Mitglieder allesamt glänzende Musikanten, die bei Schubert auch reichlich Möglichkeiten fanden, durchaus folkloristisch zu poltern und einen Kontrast zu den melodiös-zarten Passagen herzustellen. Was stellenweise einen besonderen Reiz des Werkes ausmachte.

Der Kulminationspunkt des Abends war Beethovens C-Dur-Streichquartett op. 59/3, das dritte Rasumowsky-Quartett, emotional von gesteigerter Intensität. Die dramaturgische Entwicklung des Konzertprogramms fand hier vor allem einen Höhepunkt in der Steigerung der Spannung, die sich in der Einleitung schier explosiv aufbäumte. Noch stärker als bei Schumann, was einen großen Freiraum zur Differenzierung öffnete. Vom wogenden Dialogisieren im Kopfsatz über Melancholie und blühende Heiterkeit im Andante bis hin zur vergnüglichen Spiellust im Menuetto war denn auch alles schlüssig möglich. Das wilde Wirbeln im Schlusssatz entlud schließlich wirkungsvoll die energetische Aufladung, definitiv im furiosen Finale. Eine großartige musikalische Inszenierung, die das Publikum entsprechend euphorisierte.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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