Herrsching:Sprache ist der Schlüssel

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  • Das Jobcenter macht Asylbewerber mit Sprachkursen fit.
  • Eine Arbeitserlaubnis wird meist unproblematisch ausgestellt.
  • Viele Geschäftsleute haben gute Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht - auch wenn nicht alle Arbeitsverhältnisse Bestand haben.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Herrsching

"Er ist außergewöhnlich passioniert in seinem Fach, so dass ich nicht mehr auf ihn verzichten kann". Mit einem derartigen Lob beschreibt Stefan Schneider, Konditor aus Breitbrunn, seinen Lehrling, einen 38-jährigen Asylbewerber, der bereits Konditor in seiner Heimatstadt Damaskus war. Der Herrschinger Zahnarzt Karlheinz Ketterer schwärmt geradezu von seiner neuen Mitarbeiterin, die sich als "Glücksgriff" herausgestellt habe.

Die Asylbewerberin aus Afghanistan konnte nach Angaben des Zahnarztes so gut Deutsch, dass sie an ihrem zweiten Arbeitstag ein Kinderbuch übersetzt hat und schon nach zwei Wochen sämtliche Bezeichnungen für die Instrumente wusste. Die Hechendorfer Gewürzhändlerin Andrea Rolshausen hat ebenfalls beste Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht. Sie suchte Unterstützung in der Verpackung und man habe ihr eine Asylbewerberin geschickt, die trotz mangelnder Sprachkenntnisse "die Prozesse schnell verstanden" habe. Rolshausen hat nun eine weitere Asylbewerberin eingestellt. Beide arbeiten jetzt in Vollzeit und bekommen das übliche Gehalt.

Auf der Diskussionsveranstaltung "Asyl und Arbeitsmarkt", die am Mittwoch im Rahmen der Aktionswoche "Asyl und Menschenrecht" in Herrsching stattfand, wurde immer wieder betont, wie sehr die Flüchtlinge als Arbeitskräfte gebraucht werden, und dass Integration nur über Arbeit möglich ist. Doch es gibt auch Negativbeispiele, von denen eine Mitarbeiterin des "Andechser Hofs" in Herrsching berichtete. Gerhard Schindler, Leiter des Jobcenters Starnberg, warnte vor zu viel Euphorie. Man könne Asylbewerber zwar leicht in Arbeit bringen. Aus Mangel an Sprachkenntnissen werde der Job aber oft schnell wieder beendet. "Ich warne vor kurzfristigen Erfolgen, die nicht dauerhaft sind", sagte er. Nach Schindlers Erfahrung beherrschen 70 Prozent der Asylbewerber die Sprache nur radebrechend.

Daher setzt das Jobcenter auf Sprachförderung, die gekoppelt ist mit beruflicher Praxis, um die Asylbewerber fit zu machen für die vorgeschriebenen Integrationskurse. Ein weiteres Problem ist laut Schindler, dass Ehemänner oft nicht einverstanden sind, wenn ihre Frauen arbeiten. In diesem Bereich will das Jobcenter künftig spezielle Kurse anbieten. Der Leiter der Arbeitsagentur Starnberg, Dirk Dieber, wies ebenfalls darauf hin, dass Sprachkenntnisse unbedingte Voraussetzung sind, um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Eine weitere Hürde sei die Arbeitserlaubnis. Laut Dieber wird sie von der Ausländerbehörde im Landratsamt gewöhnlich an jeden Asylbewerber vergeben, unabhängig von seinen Chancen auf Anerkennung. Allerdings würden nur Flüchtlinge mit Aussicht auf Bleiberecht auch gefördert. Nach Ansicht von Iradj Teymurian vom Helferkreis Berg müssten Flüchtlinge mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit, wie etwa junge Männer aus Pakistan, ebenfalls in Arbeit gebracht werden.

Hier sei seine Behörde durchaus offen, betonte Landrat Karl Roth. Nach seinen Angaben wurden von den 1800 Flüchtlingen im Landkreis bislang lediglich 600 anerkannt. Ein Lehrer aus Gilching erklärte, dass Schüler oft verschwinden aus Angst, sie müssten das Land verlassen, wenn sie nicht anerkannt werden. Diese Angst ist laut Landratsamtsmitarbeiterin Sophie von Wiedersperg unbegründet. "Arbeitsintegration ist kein Spaziergang. Es gibt Frust und Enttäuschung", so das Fazit des Vorsitzenden des Sprecherrates, Georg Strasser, der ebenso wie die Koordinatorin des Herrschinger Helferkreises, Hannelore Doch, an die Bürger appellierte, sich als ehrenamtliche Paten zur Verfügung zu stellen.

© SZ vom 20.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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