Herrsching/Seefeld:Die Krise gemeistert

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In großer Besetzung mit Chor: Das Repertoire des Wörthsee Orchesters reicht von Barockwerken bis zur zeitgenössischer Musik. (Foto: oh)

Das Wörthsee Orchester, das nach dem Tod seiner langjährigen Leiterin Kristin Scheffels kurz vor der Spaltung stand, hat unter Johanna Langmann wieder neu zusammengefunden und feiert nun sein 25-jähriges Bestehen mit zwei Konzerten

Von Gerhard Summer, Herrsching/Seefeld

Hört sich vielleicht merkwürdig an, aber ein Laien-Orchester ist so etwas wie ein Gesellschaftsmodell der Zukunft. Denn was sonst im Leben Bedeutung hat, ist zumindest für die Zeit der Proben und Auftritte unwichtig: Hautfarbe, Religion, Einkommen, Geschlecht. Ob die Geigerin oder der Cellist nun als Personalchefin eines großen Dax-Unternehmens arbeitet oder eine Würstelbude in Starnberg betreibt, spielt keine Rolle. Hauptsache, er oder sie beherrschen ihr Instrument und fügen sich in den Gesamtklang ein. Und das Erstaunliche an dieser Konstellation ist, dass aus der heterogenen Besetzung große Homogenität resultieren kann. So jedenfalls ist es beim Wörthsee Orchester. Unter seinen 25 bis 28 Mitgliedern sind Physiker, Pfarrer und Handwerker. Die Ornithologin sitzt neben dem Lehrer, der Arzt neben dem Kaufmann und der poetische Genießer neben dem Freizeitsportler. Doch alle Gegensätze sind vergessen, sobald Johanna Langmann, die Dirigentin und einzige Profimusikerin, den Einsatz gibt.

Was natürlich nicht heißt, dass in einer solchen Gruppe immer Friede und Freude herrscht. Das Kammerorchester musste Zerreißproben und Spaltungen überstehen. Seine schlimmste Krise erlebte es nach 20 Jahren, als seine damalige Leiterin Kristin Scheffels schwer erkrankte. Denn die charismatische Dirigentin und Pianistin Scheffels sei "Herz und Motor" des Orchesters gewesen. Langmann, bis dato Konzertmeisterin, übernahm für sie über längere Perioden die Probenarbeit. Und das Ensemble fand in der schwierigen Übergangszeit neu zusammen, weil Scheffels die Amateure bis zu ihrem Tod mit 55 Jahren im Oktober 2013 mit aller Kraft zusammengehalten habe und das Ensemble gemeinsam mit der Bratschistin Langmann führte. Langmann sagt: Es grenze an ein Wunder, dass das Ensemble damals nicht auseinanderbrach. Nun geben die Laien aus Gilching, Germering, dem Münchner Westen, aus Weilheim, Fürstenfeldbruck und dem Westufer des Ammersees erstmals wieder abendfüllende Programme. Denn das Wörthsee Orchester, das schon mit Gastbläsern, Chören, Gesangs- und Instrumentalsolisten aufgetreten ist, feiert sein 25-jähriges Bestehen mit zwei Konzerten und einer Festschrift. Das Programm des ersten Abends am Samstag, 30. April, in Herrsching macht bereits eines deutlich: Das Repertoire dieses Ensembles umfasst alle Epochen der Streicherliteratur und endet nicht in der Moderne. So wird neben der "Sonata à 6 Violis" von Antonio Bertali und einer eigenen Adaption des zweiten Satzes aus Rachmaninoffs unvollendetem zweiten Streichquartett auch Arvo Pärts "Summa" zu hören sein.

Langmann ist es wichtig, in den Konzerten auch zeitgenössische Musik zu bringen, wohldosiert versteht sich. Zum einen wachsen die Musiker nämlich an der Herausforderung, zum anderen spielt, wer sich auch mit Pärt, Bernd Erich Brinkmann oder Gavin Bryars befasst, die Klassiker anders, wie Langmann findet. Sie sagt: "Man hört dann anders". Das Publikum wisse das sehr wohl zu schätzen, es gebe "immer wieder Zuhörer, die hinterher kommen und sagen: Spielt so was, nicht Bach".

Das Orchester kommt einmal in der Woche in Seefeld zusammen, feilt aber auch an Probenwochenenden oder Reisen an der frühbarocken Literatur von Vivaldi und Rossini oder an romantischen Werken von Sibelius und Grieg. Langmann legt in den Proben besonderen Wert darauf, "jeden Einzelnen anzusprechen" und ihre Musiker nie bloßzustellen oder zu überfordern. Ihr Wohlwollen müsse immer spürbar sein, sagt sie, "dann wachsen die Leute über sich hinaus, weil sie sich mehr verantwortlich fühlen".

Das erste Jubiläumskonzert ist am Samstag, 30. April, 19.30 Uhr, im Haus der bayerischen Landwirtschaft. Der Eintritt ist frei. Der zweite Streich mit Solisten wie Werner Grobholz, Franz Amann und Hugo Seebach folgt am 13. November.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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