Herrsching:Schwalben ziehen um

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In Herrsching gelingt es, die Vögel aus dem Bahnhofsgebäude in ein eigenes Haus zu locken. Die Naturschutzbehörde ist an dem Projekt sehr interessiert, könnte sie doch künftig eine Umsiedelung anordnen

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Es war ein herzzerreißendes Bild, das sich Sylvia Brennicke vor Kurzem in der Herrschinger Bahnhofshalle bot. Arbeiter entfernten eines der Rauchschwalbennester. In dem befanden sich aber Jungtiere. Brennicke befürchtete das Schlimmste für die kleinen Vögel. Was für Laien wie ein Vergehen gegen den Tierschutz aussah - schließlich handelt es sich bei Rauchschwalben um geschützte Vögel - ist ein Pilotprojekt zur Umsiedelung der im Bahnhof ungeliebten Tiere. "Alles läuft nach Plan", versicherte Ornithologe Herbert Biebach. Er hatte vom Gemeinderat den Auftrag für den Vogelumzug bekommen.

Weit sperrt der Jungvogel den Schnabel auf, ist doch Mama Schwalbe mit Nahrung im Anflug. (Foto: Nila Thiel)

Seit drei Jahren läuft die Aktion bereits. Eine artenschutzrechtliche Genehmigung von der Oberen Naturschutzbehörde liegt vor. Ziel ist es, die Vögel in ein Schwalbenhaus außerhalb des Bahnhofs umzusiedeln. Die Rauchschwalben sind seit Jahren ein Ärgernis für viele Bahnkunden, da sie während der Brutzeit die Halle verschmutzen. Außerdem plant die Gemeinde, ihr Gebäude zu einem Treffpunkt für Bürger umzubauen. Damit die Schwalben im Bahnhofsumfeld bleiben können, tüftelte der ehemalige Grünen-Gemeinderat aus Widdersberg einen Plan aus. Im ersten Jahr des Projekts gelang der Umzug nicht. Die Versuchsanordnung wurde verbessert. Im vergangenen Jahr gelang es Biebach erstmals, dass die Schwalben mitsamt ihren Jungvögeln etappenweise aus dem Bahnhof gebracht werden konnten. Diese Aktion wurde heuer fortgeführt. Dazu wurde ein belegtes Kunstnest von der Decke der Halle abmontiert und auf ein Rädergestell gehängt. Dieses wurde zentimeterweise in Richtung Schwalbenhaus verschoben, bis es an seinem neuen Bestimmungsort angebracht werden konnte. "Die Etappen zogen sich über drei Tage", sagt Biebach. Wichtig war, dass sich in den Nestern Jungvögeln befinden. Die Eltern sollten sie weiterfüttern und das neue Schwalbenhaus als Alternative kennenlernen.

Im Schwalbenhaus stören die Vögel jetzt nicht mehr. (Foto: Nila Thiel)

In diesem Jahr wurden vor der Brutzeit die meisten Nester aus der Bahnhofshalle entfernt. Netze und Abwehrmaßnahmen wurden an den beliebten Brutplätzen angebracht, damit die Schwalben dort keine neuen Nester bauen, sondern gleich in das Schwalbenhaus fliegen. Davon ausgenommen waren die beiden Lautsprecher. Und prompt errichteten zwei Vogelpaare dort neue Nester. "Im nächste Frühjahr müssen die Lautsprecher weg", fordert Biebach. Denn die Maßnahme fängt an zu greifen. Zum ersten Mal hat ein Schwalbenpaar heuer unter dem Dach außerhalb des Bahnhofs ein Nest belegt. "In einem unserer Kunstnester sind jetzt Junge drin", freut sich Biebach. Der endgültige Erfolg werde sich erst im kommenden Jahr zeigen, wenn die Vögel keine Nester mehr in der Bahnhofshalle vorfinden. "Dann wissen wir, ob sie das Schwalbenhaus mit den Kunstnestern annehmen."

Ein letztes Nest mit brütenden Vögeln befindet sich jetzt noch in der Halle. Es soll auch noch umgesiedelt werden. 2017 ist das Projekt beendet. Dann bekommt die Obere Naturschutzbehörde den Abschlussbericht. "Die sind höchst interessiert an dem Ergebnis", sagt Biebach. Unter bestimmten Umständen können Schwalbennester auf Antrag nämlich entfernt werden. Falls das Biebach-Projekt erfolgreich ist, könnte die Naturschutzbehörde in Zukunft statt dem Entfernen der Nester eine Umsiedelung anordnen.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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