Herrsching:Richter könnten es richten

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Kreisbaumeister Christian Kühnel ermuntert Anlieger, Klage gegen das große Bauvorhaben im Kiental einzureichen

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Die Bewohner des Herrschinger Kientals schöpfen Hoffnung. Zahlreich waren sie in die jüngste Gemeinderatssitzung gekommen, bei der Kreisbaumeister Christian Kühnel und Baujurist Martin Nell über die rechtlichen Grundlagen von Bauvorhaben referierten. Dabei kam auch das Gespräch auf das Bauprojekt im Kiental. Wo jahrzehntelang ein einzelnes Haus stand, sollen fünf dreigeschossige Häuser mit Garagen, Carports, Stellplätzen und Zufahrten für zehn Autos entstehen.

Viermal hatte der Herrschinger Bauausschuss bereits das Bauvorhaben abgelehnt. Viel zu groß, urteilten Anwohner und Gemeinderäte. Das sah die Kreisbehörde anders. Sie legte das Baurecht auf dem Grundstück sehr großzügig aus. Da die Ersetzung durch das Landratsamt Starnberg drohte, haben die Anwohner Beschwerdebriefe an Landrat Karl Roth, Kreisbaumeister Kühnel und die Regierung von Oberbayern eingereicht, um ihre Bedenken darzulegen. Die Sachlage wird noch geprüft.

Kühnel erläuterte in Herrsching, dass Beamte der Baugenehmigungsbehörde - so wie im Amtseid geschworen - allein nach gesetzlichen Gesichtspunkten entscheiden. "Ob etwas gefällt oder von den Bürgern abgelehnt wird, darf kein Kriterium sein", betonte er. Das Argument von Herrmann Jäger (CSU), dass ortsansässige Gemeinderäte wüssten, was passt und was nicht, ließ Kühnel nicht gelten. "Es wird juristisch entschieden und nicht nach ihrem Gefühl", stellte er klar. Maßgeblich für ihre Entscheidungen seien für die Beamten dabei die Paragrafen 31, 33, 34 und 35 des Baugesetzbuchs.

Die Gemeinden verzichteten oft darauf, durch Bauleitplanungen zu gestalten, bedauerte Kühnel. "Wenn die Gemeinden etwas erreichen wollen, müssen sie das aber", mahnte er. Wer erst bei einem genehmigten Vorbescheid aktiv werde, sei zu spät dran. Christiane Gruber (BGH/FW) beschwerte sich, dass das Landratsamt das mehrfach verweigerte Einvernehmen des Bauausschusses ersetzt hatte. Daran sei die Gemeinde selbst schuld, so die Kreisbeamten, da sie es versäumt habe, durch den Erlass eines einfachen Bebauungsplans die ungeliebte massive Bebauung unmittelbar am Kienbach zu verhindern. Auch sei nicht gegen den Vorbescheid geklagt worden, somit sei er rechtsverbindlich. Allerdings sei der spätere Bauantrag vom Vorbescheid abgewichen, gab Gruber zu bedenken. Unter anderem seien beim Kientalprojekt aus zwei Vollgeschossen drei geworden, die Wandhöhen hätten sich um bis zu 1,5 Meter erhöht. "In der Gemeinderatssitzung schoben sich die Landratsamtsvertreter und Gemeindevertreter gegenseitig die Schuld für die verfahrene Situation zu", kritisiert Anwohnersprecherin Gerti Wagner. Leidtragende seien die Bürger.

"Wir können uns auch einmal täuschen", gab Kühnel selbstkritisch zu. Deswegen hätte er nichts dagegen, wenn, nach eventuell erteilter Baugenehmigung, Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht werden würde, "und eine weitere Institution noch mal auf das Ganze schaut". Bürger sollten keinesfalls auf ihr Klagerecht verzichten. Ein Anwalt dazu sei nicht nötig. Im Moment wird das Bauprojekt noch geprüft. Gerti Wagner: "Vielleicht ist das Kind doch noch nicht in den Brunnen gefallen - oder zumindest nicht abgesoffen".

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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