TSV Herrsching:Per Anhalter durch die Bundesliga

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Die Volleyballer des TSV Herrsching haben sich von der Provinz bis in Deutschlands höchste Liga vorgearbeitet. Trotz schmalen Budgets verzückt der "geilste Club der Welt" seine Fans immer wieder mit kreativen Ideen

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Der Volleyball ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, zumindest in Herrsching. Spätestens seit dem Neujahresempfang der Gemeinde, bei der Landrat Karl Roth verraten hatte, dass ein Kalender mit den Heimspielen der Herrschinger am Kühlschrank hängt, strömen auch diejenigen in die Nikolaushalle, für die Volleyball bis dato eine Randsportart war. Der Grund heißt GCDW und das ist die Abkürzung von "Geilster Club der Welt" - dem provokanten Namen des heimischen Volleyball-Bundesligisten. "90 Prozent der Zuschauer haben von Volleyball eigentlich keine Ahnung", glaubt Trainer Max Hauser. Teammanager Fritz Frömming wiegelt ab: "Na ja, 50 Prozent". Das merke Hauser zum Beispiel an der Fußballterminologie. "Hast deine Mauer falsch aufgestellt", werde er schon mal nach einem Spiel angesprochen. "Mauer - das heißt beim Volleyball doch Block", sagt Hauser. Trotzdem kommen bei Heimspielen bis zu 1000 Zuschauer in die Arena, die Fans lieben vor allem den Eventcharakter in Herrsching.

Vergangenen Freitag herrschte wieder einmal Hochstimmung in der Nikolaushalle: Es ging gegen Coburg um Platz acht in der Bundesligatabelle. "Die Leute kommen aus der ganzen Region, sogar aus Augsburg und Regensburg", sagt Hauser. Dabei hatte die Volleyball-Sparte im TSV Herrsching jahrelang vor sich hingedümpelt. Vor 40 Jahren war die Abteilung gegründet worden. 2004 schafften die Herren den Sprung in die Landesliga, 2007 ging es in die Bayernliga, dann die Regionalliga und - nach einem Rückschlag - gelang ein paar Jahre später der Aufstieg in die Dritte Liga, in die zweite Bundesliga. Am 20. Mai 2014 wurde den Herrschingern die Lizenz für die Erste Bundesliga erteilt. Eine Sensation für das kleine Herrsching.

Zu den eingefleischten Fans zählen die Herrschinger Realschuldirektorin Rita Menzel-Stuck und ihr Mann Erich Stuck. "Wir sind absolut volleyballbegeistert und bei jedem Heimspiel dabei", sagt Menzel-Stuck. Die beiden spielen selbst seit Jahren Volleyball. Ihnen gefallen die Spiele auf höchstem Niveau, aber auch die Stimmung. "Super, endlich rührt sich was im Landkreis", findet auch Angelika Wahmke. Die Starnbergerin kommt häufig mit der Familie nach Herrsching. Zu guten Spielen ist sie früher oft nach Haching oder Dachau gefahren, "aber das hier ist viel besser", sagt sie. "Jedes Mal lassen sich die Herrschinger was Neues einfallen". Diesmal lässt sich Stadionsprecher Alexander Tropschug zu Beginn auf Skiern durch die Sporthalle ziehen, währenddessen geht künstlicher Schneeschauer auf die Tribüne nieder. Anschließend werden die Spieler (Durchschnittsgröße: Zwei Meter) durch einen blinkenden Lichterbogen auf's Feld geholt, angefeuert durch das lebensgroße Maskottchen, dem Orcawal "Flips". Die Zuschauer schlagen Fächer aus Pappe gegen die Handflächen, Sambatrommler geben den Rhythmus vor, immer wieder spielen die Stadionsprecher Musikfetzen ein. Gelingen Angriff oder Zuspiel besonders gut, stehen die Fans auf. "Einfach nur toll", freut sich Angelika Knülle. Für die Herrschingerin ist das Bundesligaspiel eine Premiere. "Es wird soviel darüber gesprochen, ich wollte das auch mal erleben", sagt sie. Und dann springt sie auf, jubelt mit.

Max Hauser und sein Marketing-Partner André Bugl wissen, dass sie die gute Show, die Emotionen und etwas Glamour brauchen, um bei Zuschauern und Sponsoren erfolgreich zu sein. Denn der Club braucht Geld, viel Geld. "In dieser Saison umfasst unser Budget 300 000 Euro, eigentlich bräuchten wir eine halbe Million", sagt Frömming. Achtmal pro Woche trainieren seine Sportler, dafür gibt's 450 Euro im Monat. Etwas mehr bekommt Luke Smith: Der australische Nationalspieler hat während eines Deutschlandaufenthalts den GCDW entdeckt und sich den Herrschingern angeschlossen. Der Rest des Budgets geht unter anderem für Lizenzgebühren, Schiedsrichterhonorare, Reisekosten drauf. Überall in der Arena ist Werbung. "Klinikum Starnberg" steht auf den Hinterteilen der Shorts, der Seehof outet sich als "Vitalküche des geilsten Clubs der Welt", sogar auf dem Wischmop der Ballmädchen klebt Werbung. Für Geld kamen bei einer Verlosung Spieler zum Reifenwechsel oder zum Rasenmähen. Seit wenigen Monaten hat der Club in der alten Post eine eigene Geschäftsstelle mit Fanshop. "Geilster Club der Welt" steht in großen Lettern über der Tür. Nicht selten bleiben Passanten stehen und rätseln, ob sich hier wohl ein Erotikshop angesiedelt habe, lacht Marketing-Chef André Bugl, der ein Volleyballmagazin fürs Internet produziert. Die nächste medienwirksame Aktion steht bereits fest: Aus Geldmangel werden die Volleyballer am Mittwoch zum nächsten Spiel in Friedrichshafen per Anhalter fahren. "Zwei Fernsehteams haben sich schon angemeldet", berichtet Hauser.

© SZ vom 02.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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