Am Bahnhof:Nester auf Wanderschaft

Lesezeit: 1 min

Im Herbst, wenn auch die Jungvögel groß und stark sind, brechen die Schwalben in Richtung Süden auf. Normalerweise jedenfalls. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Die Rauchschwalben in der Wartehalle des Herrschinger Bahnhofs werden in einer aufwendigen Aktion umgesiedelt

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Mit Mietern ist es so eine Sache. Gefällt ihnen ihr Zuhause, dann möchten sie es ungerne aufgeben, auch wenn der Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat. Das ist bei Menschen genauso wie in der Tierwelt. Viel diskutiertes Beispiel: Die Rauchschwalben im Bahnhof Herrsching. Seit Jahren sind sie der Gemeinde ein Dorn im Auge, denn während der Brutzeiten verschmutzen die Vögel die Wartehalle. Dabei soll der Bahnhof in absehbarer Zeit zu einem schmucken Treffpunkt für die Bürger umgebaut werden. Eine Lösung des Problems hat der ehemalige Gemeinderat und Biologe Herbert Biebach ausgearbeitet. Bei seinem Umsiedlungsprojekt, für das er die artenschutzrechtliche Genehmigung von der Regierung erhalten hatte, hat er ein Rauchschwalbenhaus - eine Art Rädergestell - in die Wartehalle gestellt. Im vergangenen Jahr ging der Versuch schief: Die Vögel hatten die Kunstnester in dem Gestell verschmäht und wie gehabt im Bahnhof gebrütet. Heuer hatte Biebach endlich Erfolg. Drei von zehn Schwalbenpaaren hatten sich nämlich tatsächlich für die Kunstnester entschieden und 13 Eier ausgebrütet. Sobald die Eltern zum Futter suchen die Bahnhofshalle verlassen hatten, wurde das Rädergestell mit den Nestern um jeweils zehn Zentimeter niedriger gemacht und um ein bis zwei Meter Richtung Ausgang verschoben. Rund vier Tage habe diese Prozedur gedauert bis das Schwalbenhaus endlich am Bahnsteig angelangt war. "Keines der Nester wurde während der Umsiedlung verlassen. Die Elternpaare haben in gewohnter Weise weiter gefüttert", freute sich Biebach. Die flügge gewordenen Jungen sind dann vom neuen Standort aus in die Welt geflogen. Ein paar Monate später folgte eine Zweitbrut. Leider hätten die Schwalben dabei wieder im Bahnhof gebrütet. Das Schwalbenhaus blieb leer. "Dies gilt es zukünftig zu verhindern", erklärte Biebach dem Gemeinderat.

Was die Jungen betrifft, die im neuen Schwalbenhaus flügge geworden sind: Von ihnen erwartet Biebach, dass sie im nächsten Jahr auch dort einziehen werden. Voraussetzung sei allerdings, dass das Schwalbenhaus attraktiver als der Bahnhof ist. Deswegen soll der Zugang für die Vögel in die Schalterhalle durch dichte Netze versperrt werden und ein Plexiglasband an der Innenwand soll verhindern, dass neue Lehmnester gebaut werden können. Im Bahnhof bleiben dann für die Vögel nur mehr neun Kunstnester im verschiebbaren Rädergestell. 12.000 Euro gewährte die Gemeinde Herrsching für das Projekt. Falls es schief geht, droht den Tieren im übernächsten Jahr die Zwangsräumung.

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: