Herrsching:Musik für die Seele

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Olé: Die Gruppe "Locos por la Rumba" mit Tänzerin Olivia Muriel Roche (im Vordergrund) beim Auftritt vor dem Seehof. (Foto: Nila Thiel)

Ricardo Volkert und sein Ensemble "Locos por la Rumba" spielen in Herrsching Flamenco und kubanische Musik

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Schon erstaunlich, was man aus einem im Grunde simplen Viervierteltakt alles machen kann, wenn Temperament, Leidenschaft und Inbrunst hinzukommen. Erklären sich fünf vielseitige Musiker sogar verrückt nach Rumba - Locos por la Rumba, so der spanische Name der Formation -, dann wohl auch deshalb, weil in diesen kubanischen Rhythmus irgendwie die ganze spanische und lateinamerikanische Musikgeschichte hineinpasst. Im Grunde ist Locos por la Rumba daher eine nach allen Seiten offene Flamenco-Konstellation - mit Simón El Quintero und dem in Herrsching lebenden Ricardo Volkert an den Flamenco-Gitarren, Peter Krämer alias Pedro Mercador an den Perkussionsinstrumenten sowie den Sängerinnen und Flamencotänzerinnen La Picarona (Heike Kluska) und Olivia Muriel Roche.

Diese fünf Musiker verstehen es, die hintergründigen musikalischen Verbindungen zu einer packenden Wanderung durch Kontinente, Gattungen und Stile so zu arrangieren, dass der Rumba-Abend einen schlüssigen, feurigen und poetischen Bogen zu spannen vermag.

Dass diese Reise so stimmig funktioniert, liegt vor allem an den herausragenden gemeinsamen Qualitäten, den Emotionen und der Atmosphäre, die mitreißen und unter die Haut gehen können. Es ist kaum möglich, sich dieser seelentiefen Versenkung und expressiven Hingabe zu entziehen. Erst recht nicht, wenn das Ambiente nah an die Exotik der Ursprünge heranreicht. Bei diesem Open-Air des Seehofs Herrsching direkt an der Ammersee-Promenade hätten die sommerlichen Bedingungen kaum besser sein können: ein spektakulärer Sonnenuntergangs, dazu kulinarischen Köstlichkeiten und edle Tropfen.

Wenn Volkert die Leitung übernimmt, dann geht es aber nicht nur um Tanz und Musik, sondern auch um Geschichten, die hinter den Liedern stehen, um Sagen, Legenden, Dichtungen, ja bisweilen auch historischen Gegebenheiten, die alle immer auch starke Gefühle transportieren, welcher Art auch immer, bis hin zum kämpferischen "Hasta siempre Comandante" im Gedenken an Che Guevara. Gerade dieses Lied des Kubaners Carlos Puebla von 1965 über den Text eines vermeintlichen Abschiedsbriefs aus der Feder des Revolutionärs machte deutlich, wie tief verwurzelt die Sehnsucht nach Poesie und Schönheit in der spanischen wie lateinamerikanischen Musik ist. Ganz gleich, welches Thema sie behandelt: Sie ist darauf versessen, emotional wie sinnlich zu berühren.

Ob im weitschweifenden "Marinero en tierra", in melodiös erzählenden "Sevillanas Biblicas", im brennenden "La vida loca" oder auch in so populären Liedern wie "Guantanamera", dem Buena-vista-socialClub-Lied "El Cuarto de Tula" und auch im "Baila me" der einst so populären Gipsy Kings: Das Ensemble suchte stets die Balance zwischen Temperament und der melodiösen Schönheit voller Sinnenfreude, Sehnsucht und Leidenschaft. Und das äußerte sich vor allem im runden Klang der Gitarren, der melancholischen Gesangsmelodik, der farbenreichen Perkussion, aber auch im Tanz, der vor allem die harmonische Bewegung und die so faszinierend anmutige Handgestik der feurigen Aggressivität vorzog. Dennoch war der intensive und präzise Zapateado (Stepptanz), auch mal mit Palmas (Händeklatschen) oder Kastagnetten angereichert, zugleich aufs rhythmische Element fokussiert. Und wenn La Picarona und Olivia Muriel Roche sich antanzten und anfeuerten, dann eben weniger nach Art eines Duells als vielmehr im Sinne eines gegenseitig beflügelnden Dialogs. Das Publikum reagierte mit Beifallsstürmen und bekam dafür auch eine glühende Abschiedszugabe: "Algo se muere en el Alma, cuando un Amigo se va" (etwas stirbt in der Seele, wenn ein Freund geht).

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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