Herrsching:Lauer Sommerabend, ausgelassene Stimmung

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Sie reißen das Publikum im Herrschinger Seehof regelrecht von den Bänken: die Musiker der Münchner Formation Stabil. (Foto: Nila Thiel)

Die Münchner Formation "Stabil" bringt das Publikum mit ihrem Funk & Soul-Programm in Herrsching zum Tanzen

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Open-Air-Konzert hierzulande nicht ins Wasser fällt, ist eher gering. Wenn es mal klappt und zudem der Abend lau bleibt, ist mit einem euphorischen Publikum zu rechnen. Wenn obendrein im Biergarten des Seehofs in Herrsching ein grandioser Sonnenuntergang an der Seepromenade hinzukommt, ist der Abend perfekt. Der Münchner Formation Stabil blieb also nur noch, ihn mit ihrem Funk & Soul-Programm emotional zu krönen.

Der Erfolg der Band beginnt schon bei der Großbesetzung, deren saftiger Sound per se vom Stuhl und von der Bierbank reißt. Und je später der Abend, umso leerer wurde es auch an den Tischen. Denn zwei Saxophone, zwei Trompeten, Posaune, E-Gitarre, E-Bass, Keyboard, Schlagzeug und Gesang mischten hier ordentlich auf. Bei der atemberaubenden Stimmung verkündete Christian Stefan, Kopf der Formation, aber zunächst eine Programmänderung: Die Umstände forderten Balladen und mehr Soul als Funk. Der große Auftritt also von Andrea Roßkopf mit ihrer großartigen, voluminösen, dunklen Stimme. Die Tiefe ihrer Stimme, in der Tonlage wie im Ausdruck, war schon bemerkenswert, erst recht wenn Stefan den Background-Gesang hinterlegte. Ideal also auch für "Mo'Better Blues", den Titelsong des Films mit Denzel Washington, der allmählich wieder zum Funk zurückfand, allerdings mit einem bluesigen Trompetensolo dann wieder die schwere Gangart suchte.

Gerade das machte den besonderen Reiz der Interpretationen von Stabil aus: Eine reiche Dramaturgie - abwechslungsreich und überraschend. Wie etwa in "Ride like the wind" von Christopher Cross aus den 1970er Jahren. Hier ging es mit scharfen Bläsersätzen und Power-Gesang gleich ordentlich zur Sache. Dann eine radikale Wendung: Trompeter Stefan Kreminski bekam für sein Solo eine verhaltene Begleitung mit Orgel-Teppich und Puls, legte den psychodelischen Gang ein mit viel Hall und elektronischer Doppelung. Weit entrückt. Ein Saxophonsolo erdete dann wieder die Atmosphäre, zunächst melancholisch sinnierend, dann zunehmend funkiger, bis sich die gesamte Truppe wieder scharftönig ins Zeug legte. Ein solch expressives Durchmodellieren verfehlte seine Wirkung nicht. Schlug dann die Stimmung schon große Wellen, legte die Band gnadenlos noch mal bis zur Ekstase nach. Etwa mit dem Song "History Repeating", bei dem man noch die Stimme aus einigen James-Bond-Filmsongs von Shirley Bassey im Ohr hat. Das Powerplay mit schrillen Bläsereinwürfen und rockigem Saxophonsolo heizte mächtig ein.

Weitere Abwechslung brachten Ausflüge in andere Musikgattungen, so etwa mit dem eigenen Reggae "Imog Di nimma". Zu viel Kunst ist auch nicht gut, meinte Christian Stefan, um zu den Tanznummern überzuleiten.

Und wenn es richtig zur Sache geht, ist auch Rock'n'Roll nicht weit. Der kam am stärksten von Tina Turner mit "Simply the best", mit "Superstition" aber auch packend von Steve Wonder und mit "Sledgehammer" von Peter Gabriel. Die Songs wurden immer populärer. In der Zugabe trat die Band sukzessive ab, bis nur noch das Publikum singend und tanzend zurückblieb.

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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