Herrsching:Knoblauch, Zwiebeln und viel Chili

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Hatten die Küche fest im Griff: (v.l.) Luwan Gehebriwot, Monika Walter, Dorothee Frey-Burghardt, Agdan Kalkidan, Regine Böckelmann und Martha Stumbaum. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

In der Woche der Toleranz in Herrsching kochen einheimische und ausländische Frauen zusammen. Das eritreisch-bayerische Projekt bringt Nationen einander näher, und das Ergebnis schmeckt

Von Berthold Schindler, Herrsching

Nein, das Sprichwort "Viele Köche verderben den Brei" kennt Luwan Gehebriwot nicht. Was sie freilich nicht daran hindert, diese eigentlich im übertragenen Sinne zu verstehende Volksweisheit zunächst energisch in die Tat umzusetzen. Erst als die zweifelnd dreinschauende junge Frau merkt, dass die mit reichlich Kocherfahrung gesegneten Damen aus Herrsching ebenso ihr Handwerk verstehen, lässt sie sich allmählich überzeugen und die emsigen Assistentinnen ran an den Kohlrabi.

In der Herrschinger Woche der Toleranz gab es ein "Kochen mit Asylbewerbern" unter dem Motto "Wo Was Wie schmeckt". Als Küchenchefin war in der Infobroschüre des Freiwilligenprojekts Integrationsteam Herrsching eigentlich Monika Walter vorgesehen; die Herrschinger Religionslehrerin gibt nämlich auch Italienisch-Kochkurse in der Volkshochschule und wäre sicher eine gute Wahl gewesen, wenn nicht Gehebriwot und ihre Freundin Agdan Kalkidan das Kommando in der Küche des Katholischen Pfarramts St. Nikolaus übernommen hätten. "Kleiner, viel kleiner" sollen die geschälten Tomaten gehäckselt werden, und als das auf Höchststufe gedrehte Bratöl von der Herdplatte genommen zu werden droht, springt Gehebriwot beherzt mit einem "Das ist okay so!" dazwischen. Apropos Häckseln: Wenn die 19-jährige Eritreerin mit dem Messer aufs Brett hackt, könnte einem angesichts der hochfrequentierten Schnittbewegungen schwindlig werden. Die acht Frauen vom Integrationsteam, sich brav in die Zuarbeiterrolle fügend, schwanken dabei sichtlich zwischen Skepsis und Bewunderung: Skepsis, ob die Beigabe von sechs Knollen Knoblauch, einem Pfund Zwiebeln und vor allem vier Packungen Chili wirklich das gewünschte Geschmacksergebnis herbeiführt; Bewunderung ob der Häckselkünste und der Selbstsicherheit, mit der die beiden Küchenchefinnen zu Werke gehen. Dorothee Frey-Burkhardt, Gründungsmitglied vom Integrationsteam und damit betraut, beim eritreisch-bayerischen Kochprojekt nach dem Rechten zu sehen, ist jedenfalls beruhigt: "Haben die im Griff", so ihre Einschätzung, ehe sie ihren letzen Schwammerl schneidet und zum nächsten Toleranzwochen-Termin entschwindet; man weiß nicht , ob sie die umtriebigen Eritreerinnen oder die wackeren Bayerinnen gemeint hat.

Die Stimmung ist locker, die Neubürgerinnen lernen die Einheimischen kennen und umgekehrt und alle voneinander neue Rezepte und Zubereitungstechniken. Umgeben vom Lärm der scheppernden Pfannen und dem Duft gebratener Zwiebeln erzählt Gehebriwot, den Blick meist aufs Rindfleisch gerichtet, dass sie seit einem halben Jahr in Herrsching lebt, vier Stunden pro Woche Deutschunterricht bekommt - sie spricht gut - und im Frühling ein Kind zur Welt bringen wird. Gehebriwot, die 20-jährige Kalkidan und elf andere Asylsuchende aus verschiedenen Ländern leben im Elternhaus von Regine Böckelmann, die auch mit von der Partie ist. Eine dritte junge Frau aus Eritrea kocht nicht mit, sie stillt ihr vier Wochen altes Baby, das ansonsten friedlich schlummert. Nach knapp zwei Stunden Schneiden, Braten, Würzen sind die Injeras, gesäuerte Fladenbrote gefüllt mit einem gulaschähnlichen Ragout, gekochtem Joghurt, Gemüse und Reis sowie Knödel mit Schwammerl fertig.

Während die fleißigen Köchinnen unter Anweisung von Gehebriwot ("Mit den Fingern! Kein Besteck!") die köstlichen Gerichte verzehren, kommen neue Flüchtlinge im Containerdorf an, aus Syrien, Afghanistan, Kongo, Eritrea. Das wird nicht einfach, wenn die Neuankömmlinge sich nach Reisestrapazen mit fremden Menschen in einem bald kalten Land zurechtraufen müssen, wissen die Expertinnen vom Integrationsteam. Nicht aus der Ruhe bringen vom geschäftigen Treiben lässt sich jedenfalls das Baby.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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