Herrsching:Kammermusik in perfekter Balance

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Geballte Energie, auch wenn bei Prokofjew eine Saite riss: Arabella Steinbacher und Robert Kulek bescherten den Zuhörern ein virtuoses Konzert. (Foto: Nila Thiel)

Die Violinistin Arabella Steinbacher glänzt vor heimischem Publikum in Harmonie mit Robert Kulek

Wenn renommierte Violinvirtuosen zum Rezital angekündigt werden, steht die Klavierrolle meist - und meist zu Unrecht - im Hintergrund. Das war zum Glück in Herrsching nicht der Fall, obgleich Arabella Steinbacher aufgrund ihres Heimspiels dann doch der größere Publikumsmagnet war. Robert Kulek, der schon mit den meisten großen Musikern unserer Zeit in den berühmtesten Konzertsälen auf der Bühne gestanden hat, hielt sich beim Applaus auch bescheiden zurück.

Doch es dürfte niemandem im großen Saal des Hauses der bayerischen Landwirtschaft entgangen sein, dass hier ein absolut gleichwertiges Duo für den Erfolg verantwortlich zeichnete. Perfekte Balance, höchste Präzision, Homogenität bis ins Detail selbst bei überaus frei gestalteten Rubato-Passagen und einhelliges Gestalten sowohl spieltechnisch wie im Ausdruck: Damit waren Interpretationen aus einem Guss gesichert. Entscheidend war dabei aber, dass dieses Zusammenspiel weder konstruiert noch beharrlich einstudiert wirkte. Vielmehr vermittelte das Duo den Eindruck von selbstverständlicher Harmonie, in der gegenseitiges Verstehen intuitiv und ohne emotionale Schranken geschah. Ideale Voraussetzungen also, die zahlreichen Konzertbesucher mit feinster Kammermusik zu verzaubern.

Vor heimischem Publikum sollte Steinbacher auch mit virtuoser Bravour glänzen dürfen, doch sie tat es beherrscht, niemals als Selbstzweck - und erst nach der Pause. Wie diszipliniert sie im Zusammenspiel ist, bewies sie eindrucksvoll zu Beginn mit Mozarts Sonate G-Dur KV 379, die der Komponist traditionsgemäß ja immer noch als Klaviersonate mit Violinbegleitung bezeichnet hat. Kulek brillierte hier mit einem wunderbar perlenden Non legato, das Steinbacher mit einem ebenso leicht und frisch dialogisierenden Violinpart aufwog. Das Changieren durch Mozarts emotionalen Reichtum in den Nuancen geschah nahtlos und wanderte bis hin zu empfindsamen, melancholischen MollPassagen in den Variationen des Schlusssatzes. Der Kontrast zur Sonate f-Moll op. 80 von Prokofjew hätte nicht größer sein können. Kompromisslos stieg hier das Duo in die düstere Schwere ein, um einen gewaltigen Bogen für die vier Sätze aufzuziehen. In Hinblick darauf war der Saitenriss der Violine im zweiten Satz zunächst ein herber Verlust. Aber es gelang Steinbacher und Kulek nach Saitenwechsel, mit geballter Energie den Faden wieder aufzugreifen. Nach einem empfindsamen Flimmern des Andantes in mezza voce mit seelentiefer Intensivierung ging es feurig ins Finale, das nach einem feierlich breiten Höhenflug überraschend still verklang.

"Diese Angeberstücke sind nicht mein Fall, weil sie einfach nicht meine Natur sind", sagte Steinbacher mal in einem Interview über die klassischen Bravourstücke. Dass sie diese trotzdem grandios zu interpretieren vermag, bewies sie auf ihre Art: formal streng und zurückhaltend in der reißerischen Wirkung. Gerade bei Eugène Ysaÿe sind dies entscheidende Aspekte. Denn seine Sonate a-Moll op. 27/2 für Violine solo stellt eine Reihe von Emotionen dar. Steinbacher schenkte dabei der klanglichen Formung viel Aufmerksamkeit, besonders im Schlusssatz, wo es schon bisweilen geheimnisvoll zuging, bevor das wuchtige Finale einen prägnanten Schlusspunkt setzte. Der ausgedehnte Höhepunkt galt "Introduction et Rondo capriccioso" op. 28 von Saint-Saëns und "Tzigane, rapsodie de concert" von Ravel. Aber auch in diesen bravourösen Stücken behielt das Duo die Zügel fest in den Händen, setzte auf Leidenschaft und Temperament, erlaubte sich aber auch, schon mal schmissig im musikantischen Sinne zu agieren, was dem lustvollen Zugriff einen besonderen Reiz verlieh. Ravels emotional aufgeladenes Tzigane wirkte vor allem durch die narrative Dramaturgie, die ausgeprägte Bilder mittels feinsinniger spieltechnischer Differenzierung entwarf. Ein furioses Finale, dem nach lang anhaltendem Applaus eine romantische Schwärmerei der leichteren Muse in der Zugabe folgte.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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