Herrsching:Jenseits von starrer Routine

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Das Velit Quartett im Haus der Landwirtschaft in Herrsching. (Foto: Georgine Treybal)

Das Velit-Quartett präsentiert sich in Herrsching lustvoll und spielfreudig

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Das 2012 gegründete Velit Quartett gehört zu den wenigen Ensembles, die sich um einen der noch recht raren Viola-Überflieger gebildet haben. Der Solobratschist der Münchner Philharmoniker, Jano Lisboa, gehört zudem zu den seltenen portugiesischen Musikern, die sich hierzulande etablieren konnten. Es ist ihm gelungen, drei herausragende Instrumentalisten um sich zu scharen: Die Konzertmeisterin im Bayerischen Staatsorchester Katja Lämmermann, den Solocellisten der Bamberger Symphoniker Uli Witteler und den international renommierten Pianisten Julian Riem, der im Fünfseenland schon eine ansehnliche Fangemeinde hat. Alles Instrumentalisten mit umfangreicher kammermusikalischen Ausbildung, was sich beim sehr gut besuchten Konzert in Herrsching auch deutlich bemerkbar machte.

Die Erwartung war groß, doch die vier Musiker sind erfahren genug, sich davon nicht unter Druck setzten zu lassen. Die Musik kommt denn auch frisch, vital und in aller Ruhe bis ins Detail schön ausgeformt daher, ohne bestimmte Ausprägungen zu forcieren. Das Velit Quartett stülpt keine Interpretationen über, sondern gesteht den Werken einen Spielraum zu, um sich von innen heraus zu entwickeln. Ein Vorgehen, das den spieltechnischen Kontrast zwischen Streichern und Klavier abmildert, um einen homogenen Klangkörper zu erhalten. Die Musiker tauchen tief in die Materie ein und bewahren sich dennoch die Möglichkeit, sich vom Werk überraschen zu lassen. Das schützt vor allzu starrer Routine, es macht die Interpretationen selbst überaus unmittelbar.

Die Homogenität wurde besonders von Beethovens Es-Dur-Quartett WoO 36/1 und von Mendelssohns Klavierquartett f-Moll op. 2 auf die Probe gestellt. Sind doch beide Kompositionen aufs pianistische Können fokussiert und stellen den virtuos-solistischen Klavierpart einem geradezu orchestral agierenden Streichtrio gegenüber. Schließlich sind beides ausgesprochene Jugendwerke - Beethoven war 15, Mendelssohn 14 Jahre alt -, die den beiden angehenden Pianisten Gelegenheit geben sollten, sich am Instrument zu profilieren. In Herrsching stellten die Interpreten die Einheit durch beidseitiges Entgegenkommen her: Riem nahm sich im brillant-virtuosen Wiebeln im Klavierpart weit zurück, er ließ die Läufe klangschön perlen, was ein überaus blühendes Kolorit hervorbrachte. Die Streicher formten indes ihren Part überaus prägnant aus, substanzvoll und einfühlsam austariert, was dem Ensemblezugriff wiederum einen lustvollen und spielfreudigen Gesamteindruck bescherte.

Ein Zugriff, in dem auch Brahms Klavierquartett g-Moll op. 25 bestens ins Konzept passte, ist es doch aus dem Schlusssatz, dem "Rondo alla Zingarese", heraus entwickelt. Dieses ungarisch-zigeunerische Musikantenstück fand in der kultivierten Spielweise des Quartetts zu einer gewissen konzertanten Brillanz. Die Instrumente waren dicht beieinander, gewannen aus dieser dynamisch ausbalancierten Ensembleklanglichkeit nicht nur ein ausgeprägt blühendes Kolorit, sondern auch überaus reizvolle Wirkungen. Das leichte, vibrierende Intermezzo begeisterte so mit beschwingter Heiterkeit. Leidenschaftliche Ausprägungen, wie vor allem im Andante, nahmen eine plastische, weich modellierte Gestalt an.

Generell verstand es das Quartett, in den langsamen Sätzen einen wohltuend warmtonigen und harmonisch proportionierten Gesang anzustimmen. Nach frenetischen Ovationen reihte sich auch Schumanns "Adagio cantabile" in der Zugabe unter die betörend schönfarbigen Sätze ein - hier als ein nostalgisch-sentimentales Sinnieren.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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