Herrsching:Idyll und Apokalypse

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Gerd Grüneisl und Johannes Mayrhofer verfolgen in ganz unterschiedlichen Malstilen den gleichenkulturpädagogischen Ansatz: Sie warnen vor der Zerstörung von Natur und Heimat

Von Katja Sebald, Herrsching

Man könnte das Ganze einfach als gelungene Doppelausstellung sehen: Der eine malt im besten Sinne impressionistische, atmosphärische Bilder von Waldlandschaften zu verschiedenen Jahreszeiten und in verschiedenen Lichtstimmungen; der andere farbenfroh expressive Kompositionen im Grenzland zwischen Figuration und Abstraktion, man kann in seinen Bildern Schafe, Kühe, Fische entdecken. Wald und Tiere also, wie passend an diesem Ort, könnte einer der auf dem Weg zum Essen flüchtig vorbei huschenden Seminarteilnehmer im Haus der Bayerischen Landwirtschaft denken. Doch die Bilder von Gerd Grüneisl und Johannes Mayrhofer verdienen einen zweiten und auch einen dritten Blick.

Schon der Ausstellungstitel weist nämlich in eine andere Richtung: "Lebe wohl - schöne Heimat!?" Und dann sieht man auf einmal die herbstlichen oder winterlichen, sonnendurchfluteten oder in Abendlicht getauchten Wälder, die Gerd Grüneisl mit souveränem Pinselstrich auf die Leinwand zaubert, mit ganz anderen Augen. Es ist eine bedrohte und oft nicht mehr intakte Natur, auf deren Schönheit er noch einmal eindrücklich hinweisen will: Man sieht vielleicht nur die ehrfurchtgebietenden Bäume des Böhmerwaldes, die den "Weg zum Moldaustausee", so ein Bildtitel, wie eine Kathedrale überwölben. Doch außerhalb des Bildes nagen Industrieanlagen und Krebsgeschwüre des Tourismus an dieser überwältigen Landschaft. Ein paar Bilder weiter sieht man auch schon ganz andere Waldeindrücke: Sturmschäden oder die Spuren der Waldarbeiter. Und gleich neben dem Eingang zum Speisesaal ist der "Rabe in Aufruhr": ein beinahe formatfüllender zerzauster Vogel mit schreckgeweiteten Augen, dahinter eine karge Landschaft.

Johannes Mayrhofer malt eher abstrakt. Dieses Bild trägt den Titel "Gemüse an Landschaft". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Eine ganz andere Bildsprache, aber eine ähnliche Botschaft bietet Johannes Mayrhofer: Ausgehend von Farbstrukturen,die sich mit Pinsel, Rakel und Spachtel großzügig auf der Leinwand ausbreiten, entstehen mal paradiesische und mal apokalyptische Szenerien, die den Maler dazu inspirieren, Figürliches einzuarbeiten und so Geschichten zu erzählen: Mal ist es ein winziger Jäger, der eine riesenhafte Friedenstaube vom Himmel schießt, mal eine winzige Rückenfigur, die einem Bild von Caspar David Friedrich entstiegen ist und sich nun in einer Welt in Aufruhr verlaufen hat. Fische sind angespült worden, das Boot Europa hat Leck geschlagen, es gibt ein "Stillleben mit Schwelbrand". Nur selten ist in diesen fantastisch-katastrophalen Landschaften Rettung in Sicht. Aber noch hat der Schöpfer dieser kuriosen Bildgeschichten seinen Humor nicht verloren. Und was noch erstaunlicher ist: Seine wilden und inhaltlich aufgeladenen Kompositionen sind durchaus dekorativ.

"Künstler können von altersher die Natur in ihren Bilder in Szene setzen, ihre Zerstörung gegen Uneinsichtigkeit und Profitgier aber nicht verhindern", heißt es auf der Einladungskarte zur Ausstellung, die also perfekt ins Haus der Landwirtschaft passt. Eine lange kulturpädagogische und kulturpolitische Erfahrung verbindet den 1944 in Geratsberg geborenen Grüneisl, der sich als "unverbesserlichen" Münchner bezeichnet, und Johannes Mayrhofer, der 1942 in Immenstadt geboren wurde und in Anzing lebt. Beide studierten in den späten 1960er Jahren an der Münchner Kunstakademie und arbeiteten danach als Kunsterzieher. Und beide haben im Nachgang zur Studentenrevolte - zu deren Schauplätzen die Akademie gehörte - die kulturpädagogische Szene der Landeshauptstadt entscheidend geprägt. Grüneisl war unter anderem Gründer des Vereins "Kultur & Spielraum e.V." und Erfinder der Spielstadt "Mini-München", Mayrhofer arbeitete als Kulturpädagoge bei der Stadt München.

Georg Grüneisl bevorzugt den impressionistischen Stil. Sein Bild heißt "Am Gegenbach". Zusammen mit Johannes Mayrhofer stellt Grüneisl derzeit im Haus der Bayerischen Landwirtschaft aus. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Ausstellung "Lebe wohl - schöne Heimat!?" ist noch bis zum 11. November 2017 jeweils montags bis freitags von 9 bis 19 Uhr sowie am Wochenende 11. und 12. November von 14 bis 19 Uhr zu sehen.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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