Filmfest:Ich bin dann mal da

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"Man muss flexibel bleiben. Wenn man starr an seinen Ideen festhält, dann wirkt es tot": Regisseurin Julia von Heinz. (Foto: Arlet Ulfers)

Julia von Heinz aus Herrsching gehört zu den erfolgreichen Filmemacherinnen dieser Republik

Von Patrizia Steipe, Herrsching

"Stop" ruft Julia von Heinz. Sie hatte das Foto für das Interview bereits im Kopf gehabt: sie vor dem Breitwand-Kino, das zum Fünfseen-Filmfestival mit Bannern, Postern und einem blauen Teppich geschmückt ist. Doch die Sonne scheint grell, der Hintergrund ist unruhig, und überhaupt sieht alles anders als erwartet aus. Deswegen also ein kurz entschlossenes "Stop". Fotografin und Reporterin kehren zurück in den Garten der Filmemacherin. Hier bildet das Grün der Natur einen hübschen Kontrast zum roten T-Shirt und dem blauen Jeansrock. Diese kleine Szene könnte stellvertretend für das Leben der Regisseurin und Drehbuchautorin stehen. Die 40-Jährige entscheidet sich schnell, ist offen für Neues. "Wir können nie weit im Voraus planen", erklärt sie. "Wir", das sind ihr Mann und die drei Kinder zwischen fünf und 13 Jahren.

Am Herrschinger Wohnsitz betreibt Julia von Heinz mit ihrem Mann, dem Autor John Quester, eine Produktionsfirma. Hier entwickeln beide neue Ideen, schreiben Drehbücher. Da wird gegenseitig gelesen, diskutiert, werden anfängliche Vorstellungen abgeglichen. "Man muss flexibel bleiben. Wenn man starr an seinen Ideen festhält, dann wirkt es tot", versichert sie. Ihre Filme kommen an. "Was am Ende zählt", "Hannas Reise", "Ich bin dann mal weg" und der gemeinsam mit vier weiteren Regisseuren gedrehte Dokumentarfilm "Rosakinder" über die Beziehung zu ihrem Mentor Rosa von Praunheim.

Warum sie so erfolgreich sind? "Ich versuche Humor in die Filme zu bringen. Das öffnet den Zuschauer für die Themen." Eigentlich wollte Heinz Anwältin werden. "Ich komme aus der linken Szene", sagt sie. "Wahnsinnig viel" habe sie gelesen, Flugblätter geschrieben. Nach zwei Semestern brach sie das Studium ab. Es folgte eine Ausbildung zur Mediengestalterin und zur Diplom-Kamerafrau. "Ich habe bald gemerkt, dass mir das Drehbuchschreiben mehr liegt". Die visuelle Ausbildung helfe aber bei der Arbeit. Ihr politisches Interesse lebt sie nun in ihren Filmen aus. Oft thematisiert sie die Rolle der Frau, zum Beispiel bei "Standesgemäß - Adelige Singlefrauen". Auch bei ihrem neuen Projekt soll eine Frau im Mittelpunkt stehen. Der Film wird in der linken Szene spielen und den Radikalisierungsprozess einer jungen Frau zum Inhalt haben. "Die Zeit ist reif für einen solchen Film", findet die Regisseurin. Faktoren wie ein Staat, der seine Aufgaben nicht erfülle, Menschen, die sich selbst ermächtigten und eine verrohte Gesellschaft würden den Weg für extreme Richtungen ebnen.

Vor acht Jahren ist Heinz von Berlin nach Herrsching gezogen, wegen des Hauses. Es ist eines der alten Herrschinger Häuser, umgeben von hohen Bäumen mit Blick auf den See. Julia von Heinz hatte als Kind hier ihre Sommerferien verbracht. Zum ständigen Wohnen musste es trockengelegt und mit einer Heizung versehen werden. Nun strahlt es den Charme eines belebten Familiendomizils aus. Auf dem Klavier stehen Noten, auf dem Wohnzimmertisch stapelt sich Lektüre: "Eine kleine Geschichte der Menschheit" neben "50 Fashion Designer, die man kennen sollte".

Den Cineasten Matthias Helwig hat sie in ihrer neuen Heimat bald kennen gelernt. Bei seinem Festival ist sie regelmäßige Teilnehmerin mit ihren Filmen und saß schon in der Jury. Julia von Heinz hat auch bei den Auftragsarbeiten "Hanni und Nanni 2" und "Ich bin dann mal weg" Regie geführt. Es sind Filme, die unter Erfolgsdruck gedreht werden. "Die Kinos müssen voll werden", sagt Heinz. Es würden viel mehr Menschen bei der Produktion mitsprechen, "das macht es nicht einfacher". Dafür würde sie mit tollen Schauspielern drehen, und die Bezahlung sei gut.

Wie sie es als erfolgreiche Filmemacherin schafft, drei Kinder und den Beruf unter einen Hut zu bringen, das ist eine Frage, die Julia von Heinz immer wieder gestellt wird. Früher hat sie brav darauf geantwortet, mittlerweile weigert sie sich. "Ich beantworte sie erst, wenn auch die Männer danach gefragt werden". Solche Fragen sind ihrer Meinung nach überhaupt erst der Grund, warum Frauen vor Berufen wie Regisseurin zurückschrecken. "Indem man eine Frau auf die Zuständigkeit für die Kinder reduziert, bewirkt man, dass Frauen glauben: Mutter und gleichzeitig Regisseurin zu sein, ist nicht möglich", sagt sie. Das Gegenteil sei der Fall. Schließlich würden sich arbeitsreiche "Stoßzeiten" mit Phasen "mit viel Zeit" abwechseln. "Uns geht es sehr, sehr gut. Das ist eine Verpflichtung, mit wachen Augen durch die Welt zu gehen, anderen zu helfen, zu integrieren und nicht auszuschließen."

Der Sommer ist mit Arbeit verplant. Zwei Projekte, die das Ehepaar in Kooperation bearbeitet, müssen fertig werden. Das Casting für den neuen Film steht an. Und dann sitzt die promovierte Medienwissenschaftlerin seit Kurzem in der Jury der Filmförderung des Bundes. 43 Drehbücher muss sie durchackern.

"Ich bin dann mal weg" läuft am Mittwoch, 3. August, 21.30 Uhr beim Open Air vor der Schlossberghalle in Starnberg.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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