Herrsching:Feiern mit Telemann

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Seit einem Vierteljahrhundert dem Musizieren im Ensemble verschrieben: Das Wörthsee Orchester beim Jubiläumskonzert. (Foto: Georgine Treybal)

Das Wörthsee Orchester überzeugt bei seinem Jubiläumskonzert in Herrsching vorwiegend mit älterer Literatur und demonstriert nebenbei, wie es bei den Proben zugeht

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Wer jemals in einem Amateurensemble musiziert oder gesungen hat, wird dies bestätigen: Es geht dabei nicht nur um Musik. Es ist schon auch ein Stück Gruppentherapie, dazu eine Reha und Revitalisierungskur. Diagnose: Alltagsgrau. Heilmethode: wohltuende Klänge, konzentriertes Miteinander, Erlebnis der Gemeinschaft, emotionale Hingabe, Öffnung der Seele und vieles mehr. Und das ist gewiss mit der Grund dafür, weshalb das Wörthsee Orchester 25 Jahre lang durchgehalten hat.

Natürlich bedarf eine solche Unternehmung einer Initialzündung und eines Motors. Beides fand sie in Kirstin Scheffels, die bis zu ihrem frühen Tod 2013 Herz und Seele dafür hergab. Kein Wunder also, dass sich das Streichorchester im gut besuchten ersten Jubiläumskonzert im Herrschinger Haus der bayerischen Landwirtschaft mit diesem Verlust (und anderen) musikalisch auseinandersetzte. Obwohl langsame, getragene und weit zurückgenommene Stücke Amateuren stets Schwierigkeiten in der Intonation bereiten, ließ es sich das Orchester nicht nehmen, bis zur Pause melancholisch-elegische Werke zu interpretieren. Das betörend schön trauernde "Adagio for Strings" von Samuel Barber durfte da nicht fehlen. Der warme, weiche Klang machte auch deutlich, dass hinter den Worten des Andenkens echte Empfindungen standen. Musik funktioniert eben nur mit authentischen Gefühlen.

Selbst wenn die Intonation bisweilen schon etwas diffus daherkam und die Einsätze nicht immer perfekt saßen: Das Wörthsee Orchester hat eine eigene Homogenität, die dem Ensemble seine spezifische Färbung gibt und für eine gewisse Schlüssigkeit sorgt, obgleich das nordische Repertoire mit Grieg, Arvo Pärt, Sibelius und Rachmaninow recht weitläufig zusammengestellt war. Am besten kamen die Amateur-Instrumentalisten mit der älteren Literatur zurecht. So legte denn auch die aktuelle musikalische Leiterin des Ensembles, die Konzertmeisterin und einzige Berufsmusikerin im Orchester, Johanna Langmann, das "Concerto à 6" von Antonio Bertali sowie die Canzona "La Spiritata" von Giovanni Gabrieli jeweils an den Anfang der Konzerthälften. So konnten sich die Orchestermitglieder mit Leichtigkeit und Vitalität einspielen.

Zugleich ging es auch darum, die Anspannung mit feierlichem Einsatz in positive Bahnen zu lenken und dem Bauchgefühl freien Lauf zu lassen. Mit lockerem Drauflosmusizieren demonstrierte das Orchester zudem das etwas chaotische Ritual der Proben, in denen eben nicht alle Mitspieler gleich zur Stelle sind, sondern sukzessive eintrudeln - wie es in der von Langmann schriftlich ausformulierten und von Enno Boettcher vorgetragenen Moderation hieß.

Doch fanden erst einmal alle die nötige Konzentration, entwickelte sich da bisweilen schon eine wunderbare Musik. So etwa in der neu für dieses Konzert einstudierten Suite für Streicher von Leoš Janáček, wo es den 25 Streichern vor allem gelang, die jeweilige Atmosphäre der vier ausgewählten Sätze treffend zu charakterisieren. Mit einem fröhlich-luftigen Andante con moto hellten sich die Klänge auf, um sich im straffen Presto dramatisch zu intensivieren. Das düstere Adagio brachte eine melancholische Rücknahme ins Kontrastprogramm, bevor ein bewegtes Andante mit einem stark emotionalen Auf und Ab ein wirkungsvolles Finale herbeiführte.

Eine gute Wahl. Denn die Suite wirkte nachhaltig wie eine Fanfare fürs Konzert für Viola und Streicher von Telemann, in dem Langmann zur Viola griff und einen sehr substanzvollen und ausdrucksstarken Solopart vorlegte. Mit barocker Sinnenfreude klappte auch das Zusammenspiel mit dem Orchester, das sich angemessen zurücknahm, dennoch einen schönfarbigen Klang, nun definitiv festlich aufgeheitert, hinterlegte. Nach lang anhaltendem Applaus ging es dann zum Feiern.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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