Herrsching:Dowland trifft auf Miles Davis

Lesezeit: 2 min

Lautenist Axel Wolf und Saxophonist Hugo Siegmeth verbinden in Herrsching Renaissancemusik mit Jazz

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Spätestens seit der norwegische Jazzsaxophonist Jan Garbarek und The Hilliard Ensemble von der britischen Insel im Projekt "Officium" vor 20 Jahren gregorianischen Gesang mit Jazz in Verbindung gebracht hatten, ist klar: Das passt zusammen! Alte Musik und Jazz haben viele Gemeinsamkeiten. Im Projekt "Flow" von Axel Wolf (Theorbe beziehungsweise Langhalslaute) und Hugo Siegmeth (Sopran- und Tenorsaxophon, Bassklarinette) ist diese Liaison dennoch gewagt. Weil die Laute mit ihrem filigranen Gewebe vom fülligen, substanzvollen Klang der Blasinstrumente weit entfernt ist. Leicht hatte es beim Konzert im Kurparkschlösschen Herrsching vor allem Siegmeth nicht, konnte es doch nur gut gehen, wenn er seinen Part weit zurücknahm. Und das ist am Saxophon und an der Klarinette schon sehr anstrengend. Wolf indes untermauerte mit kraftvollen Basstönen und baute mit Arpeggien die nötige Klangsubstanz auf. Die auf diese Weise hergestellte Balance überraschte mit einem Schönklang, der lyrische Qualität hatte, aber auch vitale Frische im Kolorit und der rhythmischen Wendigkeit.

"Jazz und Renaissance - from Italy to Brasil", hieß es im Untertitel, was zunächst etwas nach Leipziger Allerlei klingt. Es erwies sich aber als eine sorgfältige Auswahl geeigneter Stücke, die mindestens eine gemeinsame Ebene fanden, auch wenn Jahrhunderte die Komponisten voneinander trennten. John Dowland, George Gershwin, Claudio Monteverdi, Carlos Jobim, Charlie Parker und Miles Davis lieferten das Material für eine Musik, die eine eigenwillige Charakteristik offenbarte. Einen besonderen Reiz entwickelten vor allem die Balladen, die der Renaissance oder dem Frühbarock die Melancholie entnahmen, während der Jazz ausschweifend-sentimentale Gesangslinien mit alten Themen darüber schweben ließ. Oder Siegmeth griff zur Bassklarinette - und beide Musiker blieben im sonoren tiefen Klang in leisen Registern, die erdige Wärme ausbreiteten. Manchmal genügten die ostinaten tänzerischen Bassfiguren der alten Meister, die mit ihrer Rhythmisierung schon etwas Swingendes an sich haben, um mit freien Improvisationen oder bekannten Jazzmotiven für packende Musikerlebnisse zu sorgen. Ihre rhythmischen Brechungen gaben Anlass für kühne Effekte, die selbst mit raffiniertesten Jazzstrukturen mithalten konnten.

Ob man das nun eher dem Jazz oder der Renaissance zuzuordnen hatte, war denn auch in der Regel schwer zu entscheiden, gingen doch beide - wie schon der Titel vorausschickte - fließend ineinander über. Und da sowohl Wolf als auch Siegmeth hervorragende Improvisationsmusiker sind, trafen sich beide auf einer durchaus experimentellen Ebene, wo sie sicher vor jedweder Routine sein konnten. Und das gefiel dem Publikum.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: