Herrsching:Die drei Säulen der Regionalität

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Die Bäuerinnen Elisabeth Doll von li.), Walburga Loock, Rita Götz (Oberpfalz) und Rosmarie Böswirth (LK Dachau) präsentierten regionale Produkte. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Landfrauen beschäftigen sich bei ihrer Herbstversammlung damit, wie man lokal erzeugte Produkte zu größerer Verbreitung führen kann. Dazu bekommen sie Rat von der Vize-Landesbäuerin aus Tirol

Von Otto Fritscher, Herrsching

Nun ja, man könnte fast meinen, auf der falschen Veranstaltung zu sein. "Speeddating" steht da groß auf einer Art Pavillon, der an diesem Donnerstag in einer Ecke des Saals im Haus der Landwirtschaft aufgebaut ist. Im Saal: lauter Frauen. Landfrauen, genauer gesagt, die sich hier zu ihrem Landestreffen auf bayerischer Ebene versammelt haben. Dennoch hat das Ganze hier nichts mit "Bäuerin sucht Mann" zu tun, worauf schon die kleine Aufschrift auf dem Pavillon hinweist. "Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" heißt es da. Wer sich hineintraut, wird in eine Art virtuelles Gespräch mit Bauern aus drei afrikanischen Ländern verwickelt, denen man beziehungsweise in diesem Fall Frau Tipps geben soll, für nachhaltigen Ackerbau zum Beispiel.

Doch das Ding findet an diesem Vormittag fast unbeachtet in der Ecke stehen, die Landfrauen, viele im Dirndl, einige in Higheels, lauschen einem Vortrag von Helga Brunschmid. Untermalt von gut drei Dutzend Powerpoint-Folien, erklärt die Vizepräsidentin der Tiroler Landwirtschaftskammer den hiesigen Bäuerinnen, wie das benachbarte österreichische Bundesland mit der neu entdeckten - oder wie Brunschmid sagt - "30 Jahre lang vernachlässigten Regionalität" umgeht. "Die Zukunft liegt vor der Haustür" lautet der Titel ihres Vortrags. Für sie ist klar, dass sich die Bauern nicht mehr über die Menge, sondern über die Qualität der Produkte fortentwickeln müssen. Vor allem bei der Milch: In Tirol werde für einen Liter Biomilch 42 Cent an den Landwirt gezahlt, bei Bioheumilch seien es sogar 47,9 Cent. Ein Raunen geht durch den Saal. Allerdings gibt es auch im Nachbarland Tirol noch Schwierigkeiten, regionale Produkte auf die Teller zu bringen. "Viele Gastronomen ziehen noch nicht mit", erklärt Brunschmid. Und auf dem Weg zu mehr Regionalität werden offensichtlich auch Irrwege beschritten: 2007 habe man in Tirol die Idee gehabt, Speisefische zu vermarkten. "Das Knowhow haben wir uns vom Fischereiinstitut in Starnberg geholt", sagt Brunschmid. Dann habe es aufgrund der vielen Vorschriften sehr lange gedauert. "Gerade mal eine Anlage ist 2016 in Betrieb", sagt sie. Und: "Wir Tiroler werden den Markt sicher nicht mit Fischen überschwemmen, Fisch ist ja nicht gerade ein typisches Produkt für unser Land."

Wie steht es denn nun mit der Regionalität im Landkreis Starnberg? Kreisbäuerin Anita Painhofer aus Geisenbrunn nimmt natürlich an der Tagung teil. "Regionale Produkte und eine saisonale Küche sind mir sehr wichtig", sagt sie. "Wenn ich jetzt irgendwo Erdbeerkuchen sehe, graust es mir. Wo wir doch so gute Äpfel und Birnen hier haben." Sie sieht die Landwirtschaft im Landkreis schon recht gut aufgestellt nach den Prinzipien der Regionalität, die Brunschmid mit "kurze Transportwege, Frische, Erhalt der Kulturlandschaft und der kleinbäuerlichen Strukturen" benannt hatte. Für Painhofer sind die Hofläden, die Erzeugergemeinschaft "Unser Land" und die Wochenmärkte, die in den meisten Orten des Landkreises abgehalten werden, die drei Säulen der Regionalität. "Allerdings muss man bedenken, dass die Hofläden immer nebenbei betrieben werden. Sie müssen sich also rentieren", sagt Painhofer. Dies scheint in des in den meisten Fällen zu funktionieren, denn nach SZ-Recherchen gibt es mehr als 15 Hofläden im Landkreis, Tendenz steigend. Gerade "Starnberger Land" ist für die Kreisbäuerin ein wichtiger Baustein, die von Bauern im Landkreis Starnberg und den angrenzenden Landkreisen erzeugten Produkte sind bei den großen Supermarktketten Tengelmann, Edeka und Rewe seit längerem in den Regalen. "Wir müssen die Verbraucher dazu bringen, noch mehr regional zu denken", sagt Painhofer. "Man darf nicht müde werden, dafür zu werben."

Klar ist, dass für regionale Produkte in der Regel ein höherer Preis verlangt wird. Und dennoch sind sich die Tirolerin Brunschmid und die Bayerin Painhofer in diesem Punkt einig: "Die Preise sind immer noch zu niedrig."

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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