Greensill-Debakel in Pöcking:Gut gestreut, schlecht beraten

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Die Gemeinde Pöcking hatte im Herbst vergangenen Jahres fünf Millionen Euro bei der mittlerweile insolventen Bremer Bank angelegt. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Die Gemeinde beschließt nach dem Fiasko strengere Richtlinien für Geldanlagen. Bürgermeister Rainer Schnitzler ist optimistisch, einen Großteil der fünf Millionen Euro zurückzubekommen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Im Zuge des Greensill-Debakels mit einem befürchteten Verlust von fünf Millionen Euro hat die Gemeinde Pöcking ihre Richtlinien für Geldanlagen verschärft. Künftig dürfen Investitionen nur noch bei öffentlichen Banken oder Geldinstituten mit A-Rating angelegt werden. Geldanlagen bei Banken mit B-Risikoklasse sowie die Höhe der Investitionen sind streng begrenzt und nur bei systemrelevanten Geldinstituten erlaubt. Voraussetzung ist die Bewertung durch die vier größten Ratingagenturen. Neu ist, dass von jetzt an auch die Nachhaltigkeit "im Sinne einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft" stärker berücksichtigt werden soll.

Auf Vorstoß der CSU war im März ein Arbeitskreis gegründet worden, der neue Anlagerichtlinien erstellen sollte. Der Entwurf lag dem Gemeinderat in der Vorwoche vor. Einzig den Grünen ging das neue Regelwerk nicht weit genug; sie stimmten geschlossen gegen das Papier. Man habe versucht die Sicherheit zu verbessern, aber gleichzeitig sollte auch Praktikabilität im Vordergrund stehen, erklärte AK-Sprecher Wolfram Staufenberg (CSU) vor dem Hintergrund, dass immer wieder Geldanlagen frei werden. Auch die Steuereinnahmen Ende 2020 mussten investiert werden. Da Pöcking insgesamt 79 Millionen Euro an Rücklagen zu verwalten hat, steht die Gemeinde vor einem Dilemma: Die Banken verlangen Verwahrgelder für die Investitionen, folglich wird das Vermögen weniger.

Die Gemeinde hatte im Herbst 2020 fünf Millionen Euro bei der Bremer Bank investiert. Wie Bürgermeister Rainer Schnitzler gegenüber der SZ erläuterte, sind das etwa sechs Prozent der Gesamtrücklagen. Die restlichen Geldanlagen seien auf weitere 28 Banken verteilt worden. Der Kämmerer habe das Geld gut gestreut, betonte der Rathauschef. Als im März die Insolvenz von Greensill bekannt wurde, hatte sich Pöcking mit 16 weiteren betroffenen Kommunen zusammengeschlossen, um als Gläubigerverband gemeinsam rechtliche Schritte einzuleiten. Insgesamt geht es um insgesamt 145 Millionen Euro. Die Stadt Monheim - mit 38 Millionen Euro an Einlagen am meisten geschädigt - tritt als Sprecher auf. Die Kommunen werfen der Bankenaufsicht Bafin vor, dass sie nicht vor Greensill gewarnt hatte und sie noch bis Ende des Jahres 2020 Geld bei dem Institut anlegen konnten.

Laut Schnitzler war Greensill damals noch sehr gut bewertet, da die Bank Kreditversicherungen abgeschlossen hatte. Nach Angaben des Rathauschefs hatte das Amtsgericht Bremen im März die von den Kommunen beauftragte Kanzlei "Eckert Rechtsanwälte Steuerberater" in den vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt. Doch bei der Wahl des endgültigen Gläubigerausschusses am 8. Juni habe der Bankenverband die Kanzlei mittels einer Dreiviertel-Mehrheit wieder hinausgewählt und durch "verbandsnahe" Mitglieder ersetzt. Mit Blick auf die etwa 500 Millionen Euro, die 50 Kommunen deutschlandweit bei Greensill investiert haben, bedauerte Schnitzler, dass sich viele Betroffene entschlossen hätten, eigene Anwaltskanzleien zu beauftragen. "Schade, gemeinsam ist man stärker", sagte er.

Dennoch glaubt er nicht, dass die Kommunen eine Chance gehabt hätten, in den fünfköpfigen Ausschuss hinein zu kommen. Der Bankenverband habe die höchste Einlagesumme und damit Stimmenmehrheit. Daher hätten sie die Macht gehabt "jeden zu bestimmen, den sie haben wollten". Der Rathauschef verlas in der Sitzung die Presseerklärung der Stadt Monheim, in der der Frust über die Besetzung des Gläubigerausschusses kommentiert wurde. Der Bankenverband wolle sich wohl nicht in die Karten schauen lassen, hieß es.

Schnitzler zufolge will der Insolvenzverwalter in den nächsten fünf Jahren bis zu zwei Milliarden Euro einsammeln und mit einer Quote von 25 bis 30 Prozent an die Gläubiger verteilen. Ob Pöcking nach Abschluss des Verfahrens seine Millionen wieder zurückbekommt und falls ja, in welcher Höhe, steht laut Schnitzler noch unter "vielen Fragezeichen". Denn neben dem Insolvenzverfahren laufe auch ein Strafverfahren gegen die Finanzmakler, die eine Investition empfohlen hatten. Zudem könnten noch Ansprüche bei Kreditversicherungen geltend gemacht werden. Schnitzler: "Wir sind großer Hoffnung, dass ein großer Teil des Geldes wieder zurückkommt."

© SZ vom 29.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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