Gilching:Überzeugende Balance

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Ausgewogen: Raphael Paratore und Elizabeth Hopkins im Duo. (Foto: Georgine Treybal)

"Cello" plus mit Hopkins, Kucharsky und Paratore

Von Reinhard Palmer, Gilching

Beethovens Adagio Es-Dur ohne Opuszahl für Violine und Klavier führt vor Augen, welchen Weg der Komponist zurückzulegen hatte, um aus zwei ungleich gewichteten Instrumentalparts ein gleichwertiges Duo zu formen. Was der Geiger Boris Kucharsky und die Pianistin Elizabeth Hopkins in der restlos ausverkauften Aula des Gilchinger Gymnasiums zunächst vom 25jährigen Beethoven vortrugen, war ein Dialogisieren von berührender Empfindsamkeit. Es folgte in diesem dritten Teil der Konzertreihe "Cello plus" des Gilchinger Kunstforums ein Repertoire, das den Unterschied deutlich zu machen vermochte.

Dass Beethoven zum Zeitpunkt der mittleren Kompositionsphase bereits nichts mehr hörte - so Hopkins in ihrer bewährten Moderation -, ruft meist besondere Bewunderung hervor. Doch sollte es nicht statt "obwohl er taub war" vielmehr heißen: weil er taub war? Die musikalische Vorstellung ist genialer als die vorgestellte Musik. Ist es Beethoven vielleicht gelungen, sein mit dem inneren Ohr gehörtes Ideal zu Papier zu bringen? Die Sonate A-Dur op. 69 für Klavier und Violoncello, die mit Raphael Paratore am Streichinstrument von dessen Besonnenheit und klanglicher Charakterstärke profitierte, vermittelte jedenfalls den Eindruck eines beglückenden Wurfs von geradezu perfekter Balance zwischen Spannung und Gelöstheit.

Das Duo Paratore und Hopkins entwarf ein ausgewogenes Kontrastprogramm von kraftvoller Expressivität und lyrisch-melodiösem Gesang. Dabei ist es eine anspruchsvolle Aufgabe, Beethovens kühnes Ausgreifen in den geradezu gesamten Tonumfang zu einem homogenen Gebilde zu formen. Plastisch und schnörkellos vorzugehen, war zweifelsohne der beste Ansatz, der hier auch gänzlich überzeugte.

In der Moderation auf die düstere Verfassung des Komponisten in den Jahren der mittleren Periode bis hin zu Selbstmordgedanken hinzuweisen, war um so wichtiger, als die Werke ein gegenteiliges Bild abgeben. Gerade im Scherzo der Cellosonate herrscht vergnügte Heiterkeit vor. Dass der sonst übliche langsame und lyrische Satz entweder wie hier sehr kurz geraten ist oder wie im nachfolgenden Trio Es-Dur op. 70/2, das Schwesterwerk des Geistertrios, ganz fehlt, verwundert mit dem Hintergrundwissen nicht mehr. Trotz abweichender Satzbezeichnungen im Klaviertrio ist darin das übliche Schema versteckt, wenn auch in einen neuen Kontext gesetzt. Die Emotionen folgen nicht dem Kanon - sie haben sich spontan selbst ihren Platz gesucht. So zumindest der Eindruck, den die Interpretation von Kucharsky, Paratore und Hopkins weckte. Dass ihnen Beethovens seelentiefe, sehnsuchtsvolle Lyrik sehr am Herzen liegt, bezeugte das Vorspiel, das alle Weichen auf Empfindsamkeit stellte. Das unbeschwert vorgetragene erste Allegretto implizierte hörbar den Wunsch des Komponisten, keine Trübsal aufkommen zu lassen: Der Ansatz des langsamen Satzes zeigte sich mit vergnügter Leichtigkeit kombiniert. Selbst die Spannungszäsuren gab das Trio ohne zu forcieren, mehr unterschwellig als vordergründig. Die Extrovertiertheit gehörte den Rahmensätzen, wie bereits in der Cellosonate. Das ausgelassene, spielfreudige Wirbeln verband Beethoven im Trio allerdings mit einer zerklüfteten Textur, die letztendlich eines deutlich vermittelte: Die musikalische Idee ist auf alle drei Instrumente gleichermaßen verteilt. So schloss sich der Kreis überzeugend. Lang anhaltender Applaus und eine Zugabe von Mendelssohn: das seelentiefe Andante des d-Moll-Trios op. 49.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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