Kurzkritik:Rasante Nummer

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Zu schnell: Yojo Christen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Pianist Yojo Christen in der Aula des Gymnasiums Gilching

Von Reinhard Palmer, Gilching

Zweifelsohne ist Yojo Christens Begabung überdurchschnittlich. Und für einen 19-Jährigen überrascht er darüber hinaus mit beachtlicher Selbstsicherheit und Überzeugung davon, was er da auf dem Flügel tut. Das ist respektabel, zumal sein technisches Vermögen enormes Potential offenbart und auch in der Gilchinger Gymnasiumsaula das zahlreiche Publikum begeisterte. Es scheint so, als könnte Christen bereits jeden Schwierigkeitsgrad technisch bewältigen. Nur: Was möglich ist, muss nicht immer sinnvoll und musikalisch sein. Beethovens Pathétique und Appassionata sowie Liszts h-Moll-Sonate - welch ein ehrgeiziges Programm - sind gewiss keine Leichtgewichte, die man in mezza voce servieren kann. Aber Gewichtigkeit ist nicht nur eine Frage der Kraft und Lautstärke, zumal sie in diesem Programm für eine geistige Dimension stand.

Zur Intensität, Dichte und vor allem seelentiefen Hingabe ist eine emotionale Öffnung nötig, die dem jungen Pianisten offenbar noch schwer fällt. Das war sehr schade, vermochte Christen doch durchaus auch mit empfindsamem und kantablem Spiel zu überzeugen. Im Adagio-Mittelsatz der Pathétique bewies er Ausdruckskraft und Sensibilität in der klanglichen Formung, gerade auch im Kontrast zum freudig-munteren Mittelteil des Satzes. Doch schon in der Appassionata, die im Kopfsatz so vielversprechend mysteriös begonnen hatte, kam der Andante-Variationsmittelsatz zu locker und harmlos daher und ließ die unterschwellige Spannung vermissen.

Christen konzentrierte sich zu sehr auf die spieltechnischen Aspekte, obwohl er sich doch auf seine Fingerfertigkeit absolut verlassen kann. Sein perlender Anschlag gab gerade im Schlussrondo der Pathétique eine große Vorstellung. Doch schon hier setzte Christen auf rasantes Tempo, wodurch die Pointierung das Gefüge zwangsläufig seltsam pulsieren ließ. Der Schlusssatz der Appassionata mutierte indes zu einem aufgewühlten Wüten. Die Kontraste zu lyrischen Passagen fielen extrem aus und sprengten die Homogenität des Satzes. Dass Christen in der Liszt-Sonate die Wechsel der Charakteristik noch weiter auf die Spitze trieb, hätte bis zu einem gewissen Grad originell sein können, ist doch das Werk vielmehr eine Phantasie. Doch im Prestissimo übertrieb Christen übermütig und vermochte nicht mehr das Ebenmaß der Läufe zu wahren. Die Transparenz ging verloren, die Präzision sowieso, Unsauberkeiten schlichen sich ein. Alles in allem ein großes Versprechen, das Yojo Christen hoffentlich bald einlöst. Frenetische Ovationen und zwei Zugaben: Mozarts Türkischer Marsch und eine Eigenkomposition.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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