Gilching:Im Rausch des Wohlklangs

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Die Bänke in der Gilchinger Kirche St. Sebastian sind gut gefüllt. (Foto: Arlet Ulfers)

Uraufführung von Markus Schwaigers "Ave, maris stella"

Von Reinhard Palmer, Gilching

Im Normalfall sind Uraufführungen der Ernsten Musik im Landkreis echte Blockbuster: fegen die Straßen um die Aufführungsorte, aber auch sie selbst weitgehend leer. Das ist bei Markus Schwaiger anders. Der komponierende Kirchenmusiker an der Gilchinger Pfarrkirche St. Sebastian konnte erneut einen fulminanten Erfolg bei fast vollen Bänken feiern. Der Trick: Seine Musik ist neu, aber nicht Neu. Das ist Schwaiger und seinem Publikum offenbar egal. Und auch sein jüngstes Werk, die hier uraufgeführte Symphonie "Ave, maris stella" kennt nur ein künstlerisches Ansinnen: Honigtriefend mit Schmalz romantischer Seligkeit vom ersten bis zum letzten Ton zu berauschen. Eine Kompositionsweise, die Schwaiger offenbar zu seinem persönlichen Stil erwählt hat. Das im letzten Jahr uraufgeführte "Ave Maria", das hier als umjubelte Zugabe erneut erklang, unterschied sich im Impetus und Duktus von der neuen Komposition jedenfalls kaum.

"Sei gegrüßt, du Stern des Meeres, erhabene Mutter Gottes und immerwährende Jungfrau, selige Pforte zum Himmel!", heißt es gleich zu Beginn mit den Titel gebenden Worten, die Schwaiger wie einen Kinderreim melodisch skandieren ließ. Ein humorvolles Motiv, das sich sofort einprägte und einen nicht mehr losließ. Es tauchte auch im Verlauf des Werkes immer wieder wie eine ferne Erinnerung auf und verklammerte die sieben Verse zu einer Einheit. Die emotionale Empfänglichkeit hatte Schwaiger am Pult des hauseigenen Orchesters schon zuvor geschickt vorbereitet. Die Symphonie g-Moll KV 550 ist eines der beliebtesten Werke Mozarts, das auch mit eingängigen Themen und Melodien arbeitet. Doch für Mozart galt stets die Devise: weniger ist mehr. Damit erreichte der Genius nicht nur seine typisch luftige Leichtigkeit, die das Orchester hier unter Schwaigers klarem Dirigat auch zielsicher umsetzte, sondern auch höchste Effizienz im Ausdruck. Dafür interessierte sich Schwaiger hinsichtlich seiner affektorientierten Komposition am meisten. Die Verdichtungen zog er bei Mozart deutlich an, ließ sie mit dunkler Substanz füllen und prägte jede einzelne Charakteristik deutlich aus. So etwa das Schillern der Streicher, die feierliche Breite und das leidenschaftliche Finale im Kopfsatz. Das Andante stolzierte gemächlich, steigerte sich aber saftig, bisweilen mächtig pointiert, das Menuetto hatte nur wenig von einem Tanz, allenfalls das galante Trio darin.

In seiner eigenen Komposition sorgte Schwaiger aber dafür, dass selbst verschattete Moll-Rücknahmen nichts Düsteres an sich hatten, allenfalls mit schönmelodischer Melancholie zurückgenommene und leichtere Verschnaufpausen gönnten, bevor sich wieder eine neue Woge der Euphorie aufbäumte, auf der die Choristen von St. Sebastian nur zu gerne mit Inbrunst ritten. Eine derart nicht enden wollende Reihung von überbordender Ekstase, die der Chor in klangschöner Balance zelebrierte, war schon sehr anstrengend. Alle Dankbarkeit galt daher Cosima Baumer, die mit ihrem glasklaren Sopran zum Glück einige lyrisch sinnierende Passagen zugedacht bekam, um für etwas Seelenfrieden sorgen zu können - auch wenn bei Rücknahmen ins Piano manche Instrumentalisten Schwächen in der Intonation zeigten.

Die gesamte Anlage erinnerte an die pompöse Filmmusik eines Zbigniew Preisner, die mit gewaltigen Gemälden arbeitet und letztendlich nur ein Ziel hat: Gänsehaut beim Zuschauer. Als Höhepunkt oder Akzent ist dies auch ein probates Mittel, große Emotionen zu wecken. Doch als Selbstzweck im Dauerbetrieb erschöpfte sich die Wirkung im "Ave, maris stella" schnell. Das Publikum jubelte berauscht, spendete stehende Ovationen und bekam mehr.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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