Gilching:Das modernste Rathaus im Kreis

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Gilchings neues Verwaltungsgebäude ist Ende April fertig - trotzdem wird es bis zum Herbst leer stehen

Von Peter Haacke, Gilching

Das neue Rathaus ist ein imposanter Bau: Mit 4000 Quadratmetern Nutzfläche entsteht das größte und modernste Verwaltungsgebäude einer Kommune im Landkreis Starnberg. Ende April, so die Planung, ist das neue Haus in der Pollinger Straße bezugsfertig - wenn da nur nicht die leidige Sache mit den Stühlen für den Sitzungssaal wäre: Der Umzug der 63 Verwaltungsmitarbeiter mit Einweihungsfest erfolgt erst im Herbst, weil erst noch die Sache mit Gestühl und Mobiliar von der Vergabekammer Südbayern entschieden werden muss und es womöglich eine neue Ausschreibung geben wird. Gilchings neues Rathaus wird also ein halbes Jahr lang leerstehen, und der Hausmeister kaum Arbeit haben. Eine kuriose und wohl beispiellose Situation.

Egal: Im Gebäude und auf dem Vorplatz, der noch begrünt werden soll, wird fleißig gewerkelt. Es riecht nach Farbe und Kleber, im Haus liegen Plastikfolie, Glaswolle und Holz herum. Aus Decken und Wänden hängen Kabel, in der künftigen Bücherei sind Schächte provisorisch abgedeckt, überall staubt es - Baustelle eben. Bürgermeister Manfred Walter begutachtet zweimal in der Woche den Fortschritt der Arbeiten, er kennt sich bestens aus - und man merkt ihm ein bisschen den Stolz des Bauherrn an. 17,5 Millionen Euro wird das Haus für Verwaltung und Bürger kosten. Zwei Jahre lang wurde geplant, zwei Jahre gebaut. Der Entwurf selbst entstand Mitte der 80er Jahre, zuvor hatte es einen Architektenwettbewerb gegeben. "Wir sind komplett im Zeitplan", sagt Walter, "und wir sind komplett im Kostenrahmen". Selbst dann, wenn am Ende die viel kritisierten 30 "Luxusstühle" für den Sitzungssaal zum Stückpreis von 2500 Euro angeschafft werden sollten.

Das neue "Haus der Bürger" ist geplant für Verwaltung und Veranstaltung - ein funktionales Gebäude, aber kein Palast. Wer barrierefrei über den Haupteingang ins Innere gelangt, landet im Foyer mit Infoschalter und Wendeltreppe. Insgesamt 1200 Quadratmeter Naturstein wurden verbaut, natürlich aus Bayern. Links geht es zum Veranstaltungssaal für 199 Zuschauer: Es gibt einen Catering-Bereich, in dem Vereine und Institutionen - aber keine Privatleute- ihre Gäste selbst versorgen können. Stuhllager, Garderobe, Toiletten, behindertengerechte Bühne mit solider Technik auf aktuellem Stand sind ebenfalls vorhanden: der Saal wird Gilchings kulturelles Leben zweifellos bereichern.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Manfred Walter im Amtszimmer.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Ein Schweißer.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Der "verjüngte" Flur.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Das Rathaus von außen.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Walter und die Architekten Sandra Baur und Professor Horst Teppert bei der Grundsteinlegung.

Im Obergeschoss wird es dagegen eher amtlich: Der größte Raum ist das helle Sitzungszimmer, wo 24 Gemeinderäte, Bürgermeister und Verwaltungsmitarbeiter tagen werden. Dazu gibt es ein Zuschauerpodest für etwa 60 Zuhörer, Parkettboden und Balkon. "Da können wir dann feiern", sagt Walter, "falls unsere Fußballer aufsteige sollten". Unwahrscheinlich ist das nicht: Der TSV Gilching-Argelsried ist aktuell Tabellenführer der Bezirksliga Oberbayern Süd. Nahezu fertiggestellt ist auch das Trauzimmer - das zweite in der Gemeinde, denn Liebende sollen sich das "Ja"-Wort auch weiterhin in der Alten Villa geben können. Dazu gibt es eine Teeküche und ein Besprechungszimmer für die fünf Fraktionen im Gemeinderat.

Das Obergeschoss des zweiten Gebäudetraktes, wo nur wenig Publikumsverkehr erwartet wird, bleibt der Verwaltung vorbehalten: Bürgermeister, Vorzimmer-Damen und Geschäftsleiter finden hier ihre Büros. Es fehlt nur noch das Mobiliar. In Walters Dienstraum wird es neben Einbauschränken und Stühlen nur Schreibtisch, Besprechungstisch und einen Monitor an der Wand geben. Helle Wände, hellbrauner Bodenbelag, unverkleideter Beton - das ist die bescheidene, aber funktionelle Anmutung für alle Büros und Besprechungszimmer. Die Architekten verzichteten auf eine Klimaanlage, stattdessen soll ein ausgeklügeltes Lüftungssystem mit Nacht-Öffnungs-Elementen und eine Dreifach-Fensterverglasung dafür sorgen, dass die Mitarbeiter stets frische Luft haben und einen klaren Kopf behalten. Ungewöhnlich: Um die Beziehungssichtachsen einzuhalten, verjüngt sich das Gebäude zur Pollinger Straße hin unmerklich. Wer aber im langen Flur steht, spürt diese Verschmälerung des Hauses. Das Foyer im Obergeschoss kann für Kunstausstellungen genutzt werden, eine Sitzecke macht Besuchern die Wartezeiten erträglicher.

Ganz oben bleiben die Mitarbeiter unter sich: Im alten Rathaus mussten sie in den Keller, im neuen sitzen sie auf dem Dach. Abgesehen von der Hausmeisterwohnung, die bereits bezogen wurde, gibt es einen weiteren Besprechungsraum, Küche, Toiletten und eine Art Sonnenterrasse mit Blick auf die Fotovoltaikanlage nebst Fluchtweg übers Dach. An dessen Ende befindet sich vorschriftsgemäß eine abschließbare Pforte. Kurios: Den Schlüssel dafür hat nur die Feuerwehr.

Der überwiegende Teil des Publikumsverkehrs wird sich im Erdgeschoss abspielen. 90 Prozent der Besucher, so weiß es Walter, müssen zum Einwohnermelde-, Pass- oder Sozialamt. Im Wartebereich soll es eine Kinderspielecke und einen Monitor geben. Auf dem Flur steht ein Einzahlungsautomat, damit die Mitarbeiter möglichst wenig mit Zahlungsverkehr zu tun haben, sowie ein Getränkeautomat. Glanzstück in diesem Gebäudetrakt ist aber die Bücherei, die - nicht ganz unabsichtlich - in Sichtweite zur Fußgängerzone geplant wurde. "Nehmt doch mal ein gutes Buch zur Hand" sei die Botschaft, sagt Walter. Das kann man sogar draußen in einem Lesehof genießen, wo noch winterresistente Kiwi angepflanzt werden.

Unspektakulär ist es im Keller: Eine gepflasterte Tiefgarage für 60 Fahrzeuge, die Nutzung ist - wie von den 40 Stellplätzen vor dem Haus - kostenlos. Zudem sind hier Archiv, Registratur, Garderoben für die Künstler untergebracht, sowie die Haustechnik. Bei der Konzeption des barrierefreien Hauses mit zwei Aufzügen ließen sich die Architekten fachlich inspirieren: Ein Blinder, ein Gehörloser und ein Rollstuhlfahrer standen beratend zur Seite.

"Ende April hätten wir einziehen können", sagt Walter - alles war geplant, Urlaubssperren waren verhängt und Hochzeitstermine abgesagt worden. Nun verschiebt sich der Umzug, der drei bis vier Tagen braucht, bis zum Herbst. Doch dann soll zwei Tage gefeiert werden im modernsten Rathaus des Landkreises.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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