"Noch drei Mal schlafen, dann bin ich sieben Jahre", sagt Tim und zeigt drei Finger. Und noch fünf Mal schlafen, dann zieht er mit seiner Mutter und dem älteren Bruder aus der Wohnung im Mutter-Kind-Haus in Gilching aus. Vier Jahre hat die kleine Familie hier gelebt und ein ganzes Jahr lang auf eine bezahlbare Wohnung gewartet. Sie sei ziemlich aufgeregt. Es falle ihr schwer, die Menschen zu verlassen, die ihr so viel geholfen haben, sagt die Mutter beim Tag der offenen Tür des Mutter-Kind-Hauses, das heuer 20 Jahre alt wird. Sie ist aber auch gespannt, auf eigenen Beinen zu stehen.
Die Einrichtung ist einzigartig im Landkreis Starnberg. Das Wohnprojekt für alleinerziehende Mütter wurde möglich durch das Vermächtnis von Katharina Funke. Als die Witwe des Gilchinger Architekten Felix Funke 1977 mit 91 Jahren starb, vererbte sie der evangelischen Kirchengemeinde eine größere Geldsumme "für Kinder, die in Not oder krank sind". Es galt also, ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten. Zusammen mit der katholischen Pfarrei gründete die evangelische Gemeinde 1991 den Verein "Ökumenische Hilfe", den Trägerverein des Hauses an der Rosenstraße. Dort baute der Zweckverband gerade Sozialwohnungen. Über die Gemeinde Gilching konnten sieben Wohnungen angemietet werden. Hier können Schwangere und alleinerziehende Mütter in einer persönlichen Notlage zwei Jahre lang wohnen und bekommen so die Chance, ihr Leben zu ordnen und zu stabilisieren. Zur Unterstützung der Mütter wurde eine sozialpädagogische Beratungsstelle eingerichtet, die seit 1997 von Susanne Tietjens geleitet wird. Es gebe immer mehrere Interessentinnen für eine Wohnung, sagt die Sozialpädagogin. Allein für die jetzt frei werdende Wohnung standen drei Frauen oben auf der Dringlichkeitsliste. "Ich weiß, ich spiele Schicksal und die Entscheidung hat mir viele schlaflose Nächte bereitet. Jetzt ist klar, die Wohnung geht an eine schwangere 18-Jährige", sagt Tietjens. Die junge Mutter braucht nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Unterstützung im Alltag und bei den Behörden, Beratung bei akuten Problemen, Begleitung bei der Pflege des Neugeborenen und Hilfe bei der beruflichen Orientierung. "Unser Ziel ist es, den Müttern und Kindern, die für eine begrenzte Zeit hier im Haus leben, die Möglichkeit zu geben, neue Kräfte und Zuversicht zu sammeln und ihnen zu Zukunftsperspektiven zu verhelfen", heißt es in einer Broschüre. Neben der heilpädagogischen Begleitung werden Gruppenstunden und Trauma - und Kunsttherapie angeboten, es gibt eine Frühförderung und Hausaufgabenbetreuung durch Ehrenamtliche. Die Räume des Beratungszentrums werden von anderen Organisationen mitbenutzt, wie Caritas, Diakonie und sozialpsychiatrischer Dienst, die regelmäßig Sprechstunden anbieten.
Finanziert wird das Zentrum und die Kosten für die Fachkräfte über Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuschüsse, hauptsächlich von der Gemeinde Gilching. Der Landkreis Starnberg hat sich bisher nicht beteiligt, zieht aber nun eine Förderung in Betracht. Um die Miete und ihren Lebensunterhalt müssen sich die Frauen selbst kümmern. Tietjens hilft bei den Anträgen an Sozialamt, Wohnungsamt und Jobcenter, berät, wo's nötig ist. Die Grundausstattung der Wohnungen, also Küchenzeile und Bad, ist vorhanden. Die Möblierung erfolgt über ein gut sortiertes Möbellager.
Und, ein wahrer Segen für die jungen Mütter: Eine ehrenamtliche "Leihoma" betreut die Babys in der Früh, wenn die Mamas zur Schule nach München müssen und die Kita noch nicht auf hat, holt die Kleinen vom Kindergarten ab und betreut sie auch mal am Abend. "Die beste Oma der Welt", sagt Tim und verspricht, sie auch nach dem Umzug in die neue Wohnung zu besuchen.