Gilching:Alles ist wahr

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Herrlich skurril: Der Komiker und Musiker Maxi Pongratz in Gilching. (Foto: Arlet Ulfers)

Maxi Pongratz überzeugt als Komiker und Musiker

Von Reinhard Palmer, Gilching

Komisch, ja skurril zu sein, ist eine besondere Gabe. Die ist Maxi Pongratz offenbar in rauen Mengen in die Wiege gelegt worden. Aber vielleicht ist die stoische Wortkargheit ohne Gemütsregung einfach nur ein typischer Wesenszug des Oberammergauers. Es wäre jedenfalls schier unmöglich, eine solche Rolle einfach nur zu spielen. Der Frontmann der derzeit pausierenden Band Kofelgschroa ist in seinem Soloauftritt auch niemand anderer als er selbst. Und das bedeutete beim Gilchinger Rathauskonzert nicht nur eine packende musikalische Darbietung, sondern eben auch beste Unterhaltung mit einer ordentlichen Portion Spontankomik. Im Grunde versuchte der schlaksige Oberammergauer, der 2010 schon auf der Passionsfestspielbühne agierte, gar nicht komisch zu sein. Seine ungelenke Art, die Hintergründe seiner Lieder zu erläutern, brachte das Publikum dennoch immer wieder zum Lachen. Das lag einerseits an den minutiösen Erzählungen, die im entscheidenden Moment verstummten und die Pointe den Zuhörern überließen. Andererseits auch an den teils abstrusen Inhalten der Lieder, deren Erläuterungen folgerichtig unsinnig oder komisch ausfielen. Pongratz bewies in todernster Stammelrhetorik immer wieder, dass eher Letzteres zutrifft, denn selbst hinter den stupidesten Texten steckte meist noch ein erzählenswertes Erlebnis. Und es sei alles wahr, beteuerte er. "Am wahrsten" die Geschichte mit dem Leichenfund an einem sonnigen Sonntagmorgen im Januar 2016 auf dem Weg von einem Hotel ins Auto. Ein Erlebnis, das ihn offenbar bis heute zutiefst erschüttert. Und ja: Da war eine deutliche Gemütsregung, mit der sich Pongratz mit einer zitternden Stimme als sensible Seele entpuppte.

Diese Gegensätze zwischen schwerem Ernst und komischer Absurdität überträgt Pongratz auch auf die Musik, die so ein Wechselbad der Gefühle entfacht. Und wenn der gelernte Zierpflanzengärtner Akkordeon spielt, dann geht es keinesfalls nur um die Begleitung des Gesangs. Das instrumentale Element ist vielmehr der eigentliche Träger der musikalischen Qualität, die vor allem auf starke Emotionen abzielt. Pongratz' Handschrift ist vom Gegensatz breiter Passagen in großen Akkorden von melancholischem Ernst gekennzeichnet und tänzerisch leichter, bisweilen gar filigraner Heiterkeit, ja fröhlich singender Ausgelassenheit. Aber Maxi Pongratz ist kein zünftiger Musikant, der mit der Quetsche poltert. Sein Spiel nutzt die Fähigkeit des Akkordeons zur starker Dynamik, um die Substanz plastisch zu modellieren und aus dem Bauchgefühl heraus das Instrument sprechen zu lassen. Das hat reichlich Tiefe, auch wenn sie nicht immer mit den Texten einhergeht. Den Weg des Regentropfens über Dach, Regenrinne, Fallrohr bis in die Regentonne zu besingen, ist nicht gerade mit geistigem Gehalt erfüllt. Genauso wenig "Die Wäsche trocknet in der Sonne, die Wäsche trocknet auch im Wind". Da steckt schon etwas Dadaistisches dahinter.

Aber Pongratz sang auch Lieder, die mit raffinierter Rhetorik bisweilen auch poetische Überlegungen anstellen - meist zur groovend-monotonen Unterlage, die dem Sprechgesang ordentlich Tempo mit auf den Weg gab. Da hieß es etwa "Mir ist's lieber, es wachst das Gras drüber" oder "Komm zu mir ans Sternenbett" voller Zweifel im Glauben an Gott und das ewige Leben. Bei Letzterem drückte Pongratz einen Bordun-Ton mit der Wäscheklammer nieder, um trotzdem die hohen Töne erreichen zu können. So hat denn auch alles seine Erdung in den Kofelgschroa-Liedern, die solistisch noch ein Stück eindringlicher wirkten. Das Publikum jubelte und bekam zwei Zugaben.

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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