Gericht:Fausthiebe unter Nachbarn

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Angeklagter ficht Urteil mit Erfolg an und wird freigesprochen

"Das Verhältnis ist eh eine Katastrophe": Richter Franz von Hunoltstein ist daher bemüht, die Nachbarschaftskonflikte im Sitzungssaal nicht allzusehr hochkochen zu lassen und die Verhandlung auf den Sachverhalt der Anklageschrift zu beschränken. Demnach soll ein 45-jähriger Gautinger dem Nachbarn im hellhörigen Doppelhaus die Wohnungstür eingetreten und mehrmals die Faust ins Gesicht geschlagen haben. Doch der Angeklagte gibt einen ganz anderen Tatverlauf wieder: "Er hat mich sofort mit der Faust ins Gesicht geschlagen und dann gegen den Oberschenkel getreten." Er habe daraufhin den 40-Jährigen von sich weggeschubst, worauf der krachend gegen die Tür gefallen sei. Wie dabei ein Schaden von 858 Euro entstanden könne, sei ihm nicht erklärlich.

Der Nachbar sagt hingegen aus, an diesem Abend vor gut einem Jahr mit seinen kleinen Kindern in Zimmerlautstärke ferngesehen zu haben. Bei der Lärmbeschwerde habe der heute 45-Jährige "dermaßen aggressiv gewirkt, dass ich die Tür gleich wieder verschlossen habe", gibt der Familienvater an: "Es hatte ja schon zuvor beängstigende Übergriffe gegeben." Doch da sei der Angreifer "durchgebrochen und hat mit beiden Fäusten zugeschlagen." Mit flachen Händen sei es ihm gelungen, den tobenden Nachbarn zurückzudrängen, seine 20-jährige Erfahrung in einer Kampfsportart sei ihm dabei zu Gute gekommen. In der Nacht habe er sich dann übergeben, im Krankenhaus wurde eine Gehirnerschütterung diagnostiziert, der 40-Jährige war eine Woche lang krankgeschrieben. Deshalb habe er Beschwerde dagegen eingelegt, als das Strafverfahren gegen den Nachbarn eingestellt werden sollte - wie auch die Ermittlungen gegen ihn selbst wegen der Vorfälle vor einem Jahr inzwischen eingestellt wurden. Die Aussage des angeblich Geschädigten wird entscheidend erschüttert, als der Schreiner aussagt, der die Tür repariert hatte: Die könne angesichts der Schäden niemals verschlossen gewesen sein. Daraufhin ist für von Hunoltstein der Fall klar: "Der Tatnachweis ist nicht zu führen." Der Angeklagte, der wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung laut Strafbefehl noch 3600 Euro bezahlen sollte, wird freigesprochen.

© SZ vom 11.10.2019 / arm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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