Gericht:Blutiger Streit in der Asylunterkunft

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Zwei junge Männer geraten aneinander, die Aussagen darüber gehen auseinander

Von Christian Deussing, Andechs

Bei einem heftigen Streit um einen zu lauten Fernseher in einer Septembernacht vorigen Jahres haben sich zwei junge Asylbewerber in der Andechser Gemeinschaftsunterkunft gegenseitig verletzt. Beide mussten in eine Klinik gebracht werden. Angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung wurde ein heute 21 Jahre alter Afghane, der einem älteren Mitbewohner mit Fäusten ins Gesicht und mit einer Teekanne aufs linke Ohr geschlagen haben soll. Zudem wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, den anderen Bewohner wohl mit einem Obstmesser eine Schnittwunde am Arm zugefügt zu haben. Mit dem Fall befasste sich am Donnerstag das Jugendgericht in Starnberg und bemühte sich, das Geschehen aufzuklären.

Die Aussagen der Beteiligten widersprachen sich und stimmten teilweise auch nicht mit den polizeilichen Vernehmungen nach dem tätlichen Vorfall in der Container-Unterkunft überein. Zudem erklärte der Verteidiger, dass die Anschuldigung des Messerangriffs "erstunken und erlogen" und die Anklage nicht richtig sei. Sein Mandant habe sich damals um 23 Uhr Schlafen gelegt und ebenso wie andere Bewohner bemerkt, dass das TV-Gerät im Fernsehraum mitten in der Nacht gegen 1.45 Uhr sehr laut gelaufen sei. Nachdem der Angeklagte darum gebeten habe, den Fernseher doch bitte leiser zu stellen, habe er durch einen Schlag mit einer Teekanne eine Kopfplatzwunde erlitten, sagte der Anwalt. Er betonte auch, dass sich der Beschuldigte nur mit dem Wurf einer Tasse gegen den Anderen wehren wollte, ihn aber nicht getroffen habe. Der Verteidiger verwies in der Verhandlung zudem auf "ethnische Konflikte" zwischen den beiden jungen Männern, die unterschiedlichen Religionen angehörten.

Der Kontrahent schilderte die Sache ganz anders. Er habe zwar "Witzchen" gemacht, den Fernseher aber leiser gestellt. Trotzdem sei er von dem Mitbewohner geschlagen worden, der zudem seine Eltern beleidigt und ihm gedroht habe, ihn umzubringen, erzählte der 25-Jährige dem Gericht. Nach kurzer Zeit sei der Angeklagte erneut aus seinem Zimmer gekommen und mit einem Messer auf ihn losgegangen. "Damit hat er zugestochen und ich blutete am linken Arm", berichtete das Opfer mit erregter Stimme. "Ich hatte Panik und Angst um mein Leben, ich zitterte am ganzen Körper." Er schaute den Angeklagten eindringlich an, der bei diesen Schilderungen den Kopf schüttelte.

Befragt wurde im Prozess ein Zeuge, der sich in der Tatnacht ebenfalls im Fernsehraum aufgehalten hatte. Der 23-jährige Bewohner war beim Streit dazwischen gegangen, um die Situation zu beruhigen, bis die Polizei eingetroffen war. Er sagte, dass der Angeklagte vermutlich ein Messer in angewinkelter Hand verborgen gehalten habe, als er wieder aus seinem Zimmer getreten sei. Bei den Auseinandersetzungen soll der mutmaßliche Angreifer zudem ein Toilettenfenster eingeschlagen haben. Doch an den genauen Ablauf konnte sich der 23-jährige Zeuge nicht mehr erinnern. Wegen der unklaren Aussagen entschied der Richter, das Verfahren auszusetzen und einen weiteren Zeugen zu vernehmen. Der Angeklagte lebt inzwischen in einer anderen Unterkunft.

© SZ vom 10.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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