Geplantes Gewerbegebiet:Viel Holz

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Die Gilchinger sehen den Forst neben dem Flughafen Oberpfaffenhofen als wertvolles Erholungsgebiet an. Gauting will trotzdem fast 20 Hektar Wald opfern. Ein Spaziergang in einem bedrohten Stück Natur

Von Michael Berzl, Gauting

Brokkoli und Hühnchen haben sie mitgebracht, Plastikbecher mit Getränken stehen auf einem Baumstumpf. Jean-Pierre Leclère und sein Arbeitskollege Jean Maillard gehen hierher gerne zum Mittagessen. Die beiden Franzosen arbeiten bei der Ruag im Flughafengelände bei Oberpfaffenhofen, wo Teile für den Airbus produziert werden. Draußen in der Natur haben sie ihr ganz spezielles Picknick-Plätzchen im Grünen gefunden. Mitten im Wald. Aber auch mitten in dem Areal, das Gewerbegebiet werden soll. Fast 20 Hektar Forst sollen dafür geopfert werden.

"Das sollte man nicht tun", findet Leclère. "Das ist doch ein wunderbarer Wald. Er ist wertvoll, denn er kühlt die Luft und produziert Sauerstoff", sagt er. Und Maillard warnt: "Macht es nicht wie in Südfrankreich. Da ist alles platt gemacht worden". Sie wissen sie zu schätzen, die Landschaft im Landkreis Starnberg. Auch dieses Stückchen Natur, wo sie zwei Mal pro Woche ihre Mittagspause machen. Morgens, wenn er von Oberbrunn zur Arbeit radelt, kommt Leclère hier vorbei. Da hat er schon oft Hasen und Rehe beobachtet. Viele Jogger und Radler seien dann unterwegs, manchmal auch Schulklassen, erzählt er.

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(Foto: Michael Berzl)

Ein Neubau nach dem anderen entsteht derzeit auf Gilchinger Flur.

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(Foto: Michael Berzl)

Ganz in der Nähe wollen auch die Gautinger Firmen ansiedeln. Dafür müsste viel Wald geopfert werden.

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(Foto: Michael Berzl)

Zwei Ruag-Mitarbeiter machen da mittags gerne Brotzeit,...

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(Foto: Michael Berzl)

...und auch ein Wasserschutzgebiet befindet sich dort.

Besonders die Gilchinger kämpfen gegen die Pläne der Gautinger an. Die Gewerbegebietsgegner sehen in dem Wald ein wertvolles Erholungsgebiet. Wer dort Erholung sucht, darf allerdings nicht sehr lärmempfindlich sein. Von der Lindauer Autobahn ist ein beständiges Grundrauschen zu hören. Von den vielen Baustellen im Gilchinger Gewerbegebiet dröhnt das Hämmern und Bohren der Handwerker herüber. Das Aufjaulen von Turbinen auf dem Flughafengelände übertönt die vereinzelten Vogelstimmen und das Rascheln des trockenen Espenlaubs im Wind. Metallenes Schlagen klingt herüber. So richtig lauschig ist es hier nicht.

Dabei gibt es hübsche Fleckchen im Unterbrunner Holz. Die Brombeeren sind gerade reif, das Springkraut blüht. Junge Buchen, Erlen und Eichen wachsen am Wegesrand. In Richtung Flughafen ragen ein paar Kiefern hoch auf. Gutachter gehen davon aus, dass das Gebiet als "essentielles Nahrungshabitat von Fledermäusen" zu werten ist. Mehrere Vogelarten konnten als Brutvögel nachgewiesen werden, heißt es in einer Expertise.

Vor allem aber ist der Forst geprägt von Fichten-Monokultur, wie sie auch im Forstenrieder Park oder im Kreuzlinger Forst vorherrscht. Trister Stangerlwald, kaum Abwechslung, kaum Laubholz. Dazwischen tun sich Lücken auf, die Stürme in den vergangenen Jahren gerissen haben. Hier sind nur noch Baumstümpfe übrig, Gebüsch und Himbeersträucher breiten sich aus. Laut Stellungnahme der Gemeinde ist es "vor allem ein durch Sturmschäden belasteter Nadelholzwald mit monokultureller Prägung." Kann weg, klingt da durch. Andere sehen das anders.

Unübersehbar sind die Schilder, die Vertreter der Initiative "Pro Bannwald" an Pfosten und Bäumen befestigt haben. Sie stehen jeweils dort, wo die Grenze des 60 Hektar großen Areals eine der vielen Forststraßen kreuzt. Sägespäne am Boden markieren den Grenzverlauf. Die Gegner haben sich wirklich Mühe gegeben. Bei einem Rundgang kann man sich einen Eindruck verschaffen, wo gebaut werden soll.

"Das wäre doch wirklich schlimm", findet Veronika Schobert und blickt sich um. "Das ist doch Lebensqualität." Seit einem halben Jahr wohnt sie in Gilching, hat seither auch die Debatten um das Gewerbegebiet mitbekommen und beobachtet gespannt, wie es nun weitergeht. "Das wird hier meine Spazierstrecke", sagt sie und streicht mit der Hand über ihren runden Bauch. In sechs Wochen erwartet sie ein Baby. Dann werden sie hier öfter zu zweit unterwegs sein. "Schade um den Wald", findet auch eine Spaziergängerin aus Herrsching, die einen Hund ausführt. "Aber da kann man wohl nichts machen, wenn die sich das so ausgedacht haben".

Ausgedacht hat sich die Gemeinde das vor gut drei Jahren. Inzwischen gibt es mehrfach modifizierte Planungen und einen Namen, der klingt, als würden nicht Zweckbauten und Straßen entstehen, sondern ein Vergnügungsgelände mit Wiesen und Weihern: "Ecopark", nennt die Gemeinde ihr Großprojekt. In einer Mitteilung des Rathauses ist die Rede von einem "Leuchtturmprojekt mit Pilotcharakter", das sich auszeichne "durch einen bundesweit vorbildlichen Charakter". Da ist die Rede von der "bestmöglichen Ökobilanz" und von einer "CO₂-freien Zone". Die Artenvielfalt werde größer, das Gebiet gar "auch für Gilchinger Erholungssuchende aufgewertet". So die Gautinger Sicht.

Der Streit ums Gewerbegebiet hat je nach Wohnort und Funktion in Partei und Kommunalpolitik bei Grünen und SPD schon zu innerparteilichen Streitigkeiten geführt. Von der Kreis-CSU gibt es seit diesem Mittwoch ein klares Ja zum Projekt. Einstimmig habe sich der Kreisvorstand für das Vorhaben ausgesprochen, teilt die Vorsitzende Stefanie von Winning mit. Das bedeutet, dass auch ihr Stellvertreter Manfred Herz dieses Votum mitträgt. Er kommt aus Gilching.

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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