Gemeindeordnung:Eine Frage der Meinungsfreiheit

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In Wörthsee wird darum gestritten, ob Gemeinderäte, die selbst Wirte sind, bei Gastro-Themen mitreden dürfen

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Sind Gemeinderäte, die im engeren und weiteren Sinne Gastronomen sind, befangen, wenn sie sich öffentlich zu einer möglichen Konkurrenz äußern? Diese Anfrage hat den Gemeinderat Wörthsee und die Kommunalaufsicht im Landratsamt beschäftigt und in der jüngsten Sitzung zu einem Wortgefecht zwischen Freien Wählern (FW) und Wörthsee-Aktiv (WA) geführt. Anlass für die Anfrage der WA-Fraktion zur persönlichen Beteiligung der FW-Gemeinderäte Harald Lossau und Thomas Bernhard im Zusammenhang mit dem "Wörthseeblick" war ein Post auf Facebook.

Der Wörthseeblick gammelt seit Jahren vor sich hin. Die Eigentümer wollen auf dem 4200 Quadratmeter großen Grundstück Wohnungen bauen, doch der Bebauungsplan sieht nur eine Beherbungs- und Gastronomienutzung vor. Schon vor längerer Zeit hat der Gemeinderat Zustimmung zu einer Änderung des Bebauungsplans signalisiert: Wohnungsbau ja, aber auch Gastronomie. In der Julisitzung hatten die Eigentümer einen erneuten Vorstoß unternommen. Demnach wollten sie ein Drittel der Fläche vorne an der Seestraße der Gemeinde für eine kleine Gastronomie zur Verfügung stellen. Auch wenn Walter Schmidt, der Anwalt der Eigentümerfamilie, meint, dass an dieser Stelle mit einer Gaststätte nichts zu verdienen sei. Das sieht die Gemeinderatsmehrheit anders. Sie lehnte gegen FW und CSU die Pläne erneut ab, weil die Wohngebäude l zu massiv seien und die Fläche für Gastronomie, die zudem im Landschaftsschutzgebiet liegt, viel zu klein sei.

Die einstige Gaststätte "Wörthseeblick" steht seit Jahren leer. Nun würden die Eigentümer das Grundstück gern mit Wohnungen bebauen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auf Facebook äußerte sich daraufhin Lossau - Besitzer des "Alten Wirt" in Etterschlag - im Namen der Freien Wähler. Er meine auch, dass es eine Gastronomie auf dem Wörthseeblick-Areal schwer hätte "wegen der naheliegenden Konkurrenz - Seehaus Raabe, Augustiner, Kiosko, Alter Wirt und hoffentlich bald Kirchenwirt". Auch für die anderen Wirte werde es schwierig, wenn es mehr Angebot als Nachfrage gebe. Der Wörthseeblick habe auch keine direkte Seelage im Gegensatz zum "Seehaus" - dessen Besitzer wiederum Thomas Bernhard ist.

Dieser Post war Grund genug für Wörthsee-Aktiv nachzufragen, ob dieses Verhalten mit Artikel 49 der Gemeindeordnung vereinbar sei, oder ob Bernhard und Lossau unmittelbar betroffen seien und beim Thema Wörthseeblick nicht abstimmen dürften. Um es kurz zu machen: Sie sind es offenbar nicht. Nur weil jemand ein Lokal habe, schließe ihn das nicht aus, erläuterte die Geschäftsleitende Beamtin Christa Heintel.

Bisher hält es der Gemeinderat Wörthsee aus Zeitgründen so, dass diejenigen, die persönlich beteiligt sind bei Abstimmungen, vom Beratungstisch wegrücken oder den Sitzungssaal verlassen. Das wird protokolliert. Normalerweise muss der Gemeinderat aber laut Geschäftsordnung in jedem einzelnen Fall entscheiden, ob der jeweilige Kollege persönlich betroffen ist. Die Wörthseer wollen aber an ihrem Procedere festhalten, "Wenn derjenige den Saal verlässt, kann er nicht befangen sein", sagte Artur Schnorfeil (SPD). Thomas Bernhard meinte, er wisse selber, wann er persönlich beteiligt sei und gehe freiwillig aus dem Saal. Im übrigen fand er es "nicht kollegial" von Wörthsee-Aktiv, diese Anfrage zu stellen, wenn einer der Antragsteller - Paul Grundler - womöglich selbst befangen sei. Grundler will in seinem Hof zwei Ferienwohnungen umwandeln in eine Produktionsstätte für Catering und Events. Der wollte die Sache nicht weiter aufbauschen und sagte, er habe den Antrag als Appell "an uns alle " verstanden. Einen Appell hatte auch Bürgermeisterin Christel Muggenthal: "Jeder Gemeinderat darf natürlich eine eigene Meinung haben. Aber er sollte sich nicht exponieren."

Mittlerweile haben sich CSU und FW mit den Eigentümern des Wörthseeblicks, deren Anwalt und Architekten getroffen und sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. In der Septembersitzung werden sie einen gemeinsamen Antrag einreichen. Danach soll der Gemeinderat in einem ersten Schritt über die Vorstellungen zur Bebauung des Areals Wörthseeblick debattieren und daraus "mehrheitsfähige, konkrete Rahmenbedingungen für ein Gesamtkonzept formulieren". In einem zweiten Schritt sollen die Ergebnisse im persönlichen Dialog mit den Eigentümern ausgetauscht werden.

© SZ vom 07.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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