Gautinger Literaturpreis:Neue Lust am Schreiben

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Gewinnerinnen des Literaturpreises (v.li.): Christine Zureich, Roswitha Zirngibl, Piwko India-Wiborada und Verena Richter. Nicht dabei: Faryar Massum. (Foto: Ulfers)

Christine Zureich aus Konstanz gewinnt den Gautinger Literaturpreis. 331 Einsendungen verzeichnen die Initiatoren

Von Blanche Mamer, Gauting

"Hier weht der Wind kälter! Deutschland. Keine Schüsse in der Nacht, keine Schatten unter den Zitronenbäumen . . .", so beginnt der erste Text, den BR-Sprecher Peter Veith im Bosco bei der Preisverleihung des Gautinger Literatur-Wettbewerbs vorträgt. Eingereicht hat ihn die erst 14-jährige Piwko India-Wiborada aus Zittau in Sachsen, die dafür in der Sparte "Schüler und Jugend" ausgezeichnet wird. Denkt man beim Zuhören zunächst, dass es sich bei diesem präzisen Ich-Monolog um Selbsterlebtes handeln müsse, wird man später erfahren, dass die Jugendliche sich in die Geschichte hineingedacht hat. Sie habe viel gelesen und recherchiert, Blog-Beiträge von Asylsuchenden und Zeitungsartikel zusammen montiert, erzählt die Schülerin. "Ein großes Talent", sagt Tanja Weber, die Gautinger Krimi-Autorin, die den ersten Literaturwettbewerb 2011 gewonnen hat und gemeinsam mit der Journalistin Sabine Zaplin den Abend moderiert. Weber, die sehr begeistert ist, verspricht, den Kontakt zu ihrer eigenen Verlegerin herzustellen - was möglicherweise mehr wert ist als das Preisgeld von 250 Euro.

Dass die Lust am Schreiben groß ist, ist bei diesem Literatur-Wettbewerb klar geworden. 331 Einsendungen gingen ein. Kurzerhand wurde eine neue Auszeichnung hinzugefügt: Wegen der vielen Gedichte gibt es nun die Kategorie "Lyrik". Und noch eine Neuerung gab es: Waren die beiden ersten Ausschreibungen noch auf das Würmtal begrenzt, hatte das Organisationsteam um Initiator Werner Gruban heuer den Wettbewerb im Internet und über die sozialen Medien verbreitet. Das hat dazu geführt, dass sogar ein Autor aus Santiago de Chile einen Text einschickte. Ein aktuelleres Thema als "Heimat" hätte man derzeit nicht finden können. Jedenfalls hat das Thema "heim(at)suchen.de" die Jury herausgefordert. Die Namen der Verfasser hatten zuvor vom Büro-Team des Bosco geschwärzt werden müssen, erzählt Zaplin. Der Hauptpreis - eine kleine Stele, geschaffen von der Gautinger Künstlerin Rosemarie Zacher - geht an Christine Zureich aus Konstanz, für ihre Erzählung "Nahlandig". Aus dem Blickwinkel eines achtjährigen Mädchens beschreibt sie die Rückkehr aus Amerika nach Deutschland, das für sie und ihre Schwester ein fremdes Land ist. "Es ist kein autobiografischer Text," sagt die 42-jährige Soziologin. Laudatorin Luitgard Kirchheim hebt hervor, dass es die Autorin mit wenigen Worten und durch kleine Details schafft, die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern klar zu machen. Der Sonderpreis "Lyrik" geht an den einzigen Mann unter den Preisträgern, an den in Afghanistan geborenen Faryar Massum für sein Gedicht "Augenblick und Dauer", das 1978 beginnt, als Massum in seiner Heimatstadt die "Volksrevolution" erleben muss, "von der das Volk nichts wusste". Massum hat nicht kommen können und wird in Abwesenheit von Gerd Holzheimer geehrt.

Der zweite Preis geht an Verena Richter, 34, aus Untermenzing. Sie hat den "Riesenpopanz Heimat" von der witzig-ironischen Seite betrachtet. Als Dramolett bezeichnet Laudator Marc Schürhoff ihre dreieinhalb Seiten kurze Geschichte Und der dritte Preis geht schließlich an Roswitha Zirngibl, 47, aus Gauting. Prosa und Gedichte wechseln sich in ihrem Text ab, wobei vor allem die Lyrik-Passagen sich durch ihre Intensität auszeichnen. Die wunderbare Sprachverdichtung habe die Jury überzeugt, sagt Zaplin.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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