Klage abgelehnt:Gericht entscheidet für Flüchtlinge

Lesezeit: 2 min

Ein Gautinger klagt vergeblich gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in einem ehemaligen Studentenwohnheim. Der Geschäftsmann fühlt sich durch "fremde Musikgeräusche" gestört

Von Michael Berzl, Gauting

"Wohnen ist Wohnen, egal welche Hautfarbe die Bewohner haben." So überschreibt das Starnberger Landratsamt eine am Donnerstag veröffentlichte Mitteilung über ein Gerichtsurteil, und ein gewisser Triumph ist dabei unübersehbar. In einer Eilentscheidung hat das Bayerische Landgericht festgestellt, dass Asylbewerber in einem ehemaligen Studentenwohnheim an der Bergstraße in Gauting leben dürfen und damit die Klage eines Nachbarn abgewiesen. Landrat Karl Roth begrüßt diese Entscheidung ausdrücklich und erklärt: "Das Gericht setzt damit ein wichtiges Signal."

Dieses Signal ist dem Chef der Kreisverwaltung auch deshalb so wichtig, weil er ja weiß, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr noch eine Bleibe im Fünfseenland finden sollen. Um etwa 1200 Menschen unterzubringen, sollen Container in Gilching und Starnberg aufgestellt werden, eine Turnhalle in Inning wird als Notunterkunft vorbereitet, und Mitarbeiterinnen im Landratsamt sind vollauf damit beschäftigt, geeignete Wohnungen und Häuser zu finden. Das Angebot, ein größeres Anwesen wie die Räume der ehemaligen Schmidt-Klinik an der Bergstraße belegen zu dürfen, kommt da wie gerufen.

Anders als bei den meisten anderen Objekten im Landkreis hat sich dort von Anfang an Gegenwehr formiert. Zwei Anlieger der Bergstraße hatten provokativ auch für ihre eigenen Anwesen Nutzungsänderungen zum Asylbewerberheim beantragt, was aber abgelehnt wurde. Ein weiterer Nachbar fühlt sich gestört, seit vor gut einem Monat die ersten acht Flüchtlinge eingezogen sind. Nach Angaben des Landratsamtes beschwerte er sich über "grauenhafte und unserer Kultur fremde Musikgeräusche" und darüber, dass er auf seiner Terrasse nur noch "Kauderwelsch" höre. Das "Kroppzeug" könne man doch auch woanders unterbringen, schließlich stünden in Städten in Ostdeutschland ganze Straßenzüge leer, sagte der Kläger im Gespräch mit der SZ. Als Portfolio-Manager mit einer 75-Stunden-Woche, der Millionenbeträge an der Börse zu verwalten habe, sei für ihn gesunder Schlaf bei frischer Luft unabdingbar. Durch nächtlichen Lärm von nebenan werden aber nun sein Schlaf gestört. Flüchtlinge müssten nicht ausgerechnet in einer der besten Wohngegenden untergebracht werden. Wegen der lauten Gespräche nebenan werde er sich künftig wohl mit Kopfhörer auf seine Terrasse setzen, Gäste könne er ohnehin nicht mehr einladen, sagte der 77-Jährige. Mit einer Klage und einem Eilantrag hatte er versucht, die ihm unliebsamen Nachbarn zu vertreiben und die derzeitige Nutzung zu verhindern, weil sie seiner Ansicht nach nicht mit dem Baurecht vereinbar ist, er ist damit aber vorerst gescheitert.

Ein Urteil gibt es zwar noch nicht, seit Mittwoch liegt dem Landratsamt aber die Eilentscheidung der Verwaltungsrichter vor. Demnach sind auch die Juristen zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem Haus an der Bergstraße nicht um eine soziale Einrichtung handelt, sondern um eine Unterbringung von Asylbewerbern, die einer herkömmlichen Wohnnutzung sehr nahe kommt. Solche Unterscheidungen können wichtig sein, weil etwa beim Brandschutz für eine Gemeinschaftsunterkunft ganz andere Vorschriften als für ein einfaches Wohnhaus gelten würden. So betont das Landratsamt auch, dass es dort keine Gemeinschaftsverpflegung und keine dauerhafte Aufsicht gebe.

Für den Kläger ist die Angelegenheit nach der Niederlage noch lange nicht ausgestanden. "Was die mir angetan haben, werden sie politisch bezahlen", droht der Gautinger. "Jetzt heißt es für mich weiterzukämpfen. Ich werde jede Ortschaft im Landkreis abklappern, schauen, wo Asylbewerber wohnen und die Nachbarn mobilisieren." Als Selbständiger habe er die Zeit dazu, sagte der Inhaber einer Vermögensberatungsgesellschaft. Er wolle eine Bürgerinitiative gründen und gab sich als Sympathisant der AfD zu erkennen.

Mit seiner Gesinnung dürfte der Gautinger nicht allein sein. Auch in Gilching, wo auf dem Festplatz eine Containeranlage für etwa 200 Menschen errichtet werden soll, ist die Unruhe schon so groß, dass die Gemeinde im Juli eine Informationsveranstaltung plant.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: