Gauting:Zwei Abenteurer

Lesezeit: 2 min

Liedermatinee mit Prey und Leibnitz

Von Reinhard Palmer, Gauting

Wolfgang Leibnitz ist leider nur noch selten zu hören. Die Matinee des "Kleinen Sommerfestivals" in der Gautinger Remise war allein deshalb schon eine Besonderheit, zumal Leibnitz nicht nur den künstlerischen Hausherren Florian Prey in Liedern sehr aufmerksam und einfühlsam begleitete, sondern auch vier reine Klavierstücke von Mendelssohn und Schumann zum Besten gab. Und das tat er dank seiner Reife mit großartiger Einfühlsamkeit, die er am Blüthner-Flügel bis hin zu feinsten Klangspuren zelebrierte. Insbesondere Schumanns Arabeske op. 18 und aus "Waldszenen" op. 62/1 betörten mit klangsinnlicher Schönheit und Seelentiefe.

Die pianistischen Zäsuren waren aber nur die sinnierenden Momente in der großen Erzählung, der das Programm folgte. Joseph von Eichendorffs Novelle "Eine Meerfahrt", in ausgiebigen Lesungen und Nacherzählungen vorgetragen, lieferte den Kontext, der die Zusammenstellung von Liedern aus der Feder von Schumann, Mendelssohn und Robert Franz (Knauth) bestimmte. Letzterer Komponist, nur fünf Jahre jünger als Schumann, ist heute kaum noch in den Konzertprogrammen zu finden. Einst war Robert Franz aber als Komponist und Dirigent eine angesehene Persönlichkeit, der auch zu danken ist, dass die Werke Händels nicht in Vergessenheit gerieten. Schumann indes schätzte gerade die Lieder des befreundeten Hallensers, die er sich selbst zum Vorbild nahm. Die Stimmigkeit des Programms war nicht zuletzt dieser Nähe der Komponisten zueinander im Liedrepertoire zu verdanken, zumal auch die Texte (meist von Eichendorff, neben Heinrich Heine und Emanuel Geibel) den Geist der Romantik trugen.

Es war eine enorme Leistung von Prey, als Sprecher und Liedsänger in diesem ausladenden Programm aufzutreten, was er eloquent, fesselnd und charmant bewältigte. Die Geschichte vom armen Don Antonio aus Salamanca, der sich 1540 einschiffen lässt, um auf der Fortuna sein Glück in Übersee und den verschollenen Onkel Don Diego zu suchen, trägt den Charakter eines Abenteuerromans. Die Lieder schufen Atmosphäre für die Sehnsucht nach der Weite des Meeres oder die Einsamkeit der Nacht. Natürlich fehlte auch die Liebe nicht.

Prey und Leibnitz schufen eine Art Melodram, für das wohl "Die schöne Magelone" von Brahms das Vorbild war. Wie dort ging es auch bei Eichendorff hoch her, doch keinesfalls in der Art eines Märchens. Auseinandersetzungen mit Eingeborenen, versprengte Restbesatzungen früherer Expeditionen, verwahrloste Matrosen, strenge Kapitäne oder magische Gestalten sind gewiss den Berichten der Amerika-Entdecker entnommen, nicht ohne kritische Untertöne, was die grausame Christianisierung der Urbevölkerung betrifft. So weit vermochten die Lieder inhaltlich nicht zu folgen, doch sie machten die Verlorenheit und das Zweifeln spürbar. Dass Leibnitz und Prey mit den Liedern nicht allzu eng an der Geschichte zu illustrieren versuchten, tat der Dramaturgie gut, entstand doch so viel Freiraum für die eigene Imagination. Und das begeisterte das Publikum in der vollbesetzten Remise.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: